Der Tod und der Dicke
ein geschäftstüchtiger Wirt, der nach der Restauration an der lebhaften Nachfrage nach Kuchen und Ale profitieren wollte, meinte, ein bisschen Retro-Design wäre dem ganz förderlich. Wahrscheinlich hatte er Lanzen an den Wänden und Kreuzfahrer-Ale im Fass.«
»Und Steak und Cæur-de-lion-Pie auf der Karte«, trug er lächelnd bei.
Er hatte ein sehr gewinnendes Lächeln. Vom Zweiertisch abgesehen, wies nichts in seinem Verhalten oder seiner Konversation darauf hin, dass er vorhatte, sie ins Bett zu kriegen.
Allerdings erinnerte sie sich, den großen Guru Dalziel einmal gehört zu haben, dass jemandem die Beichte abzunehmen und jemanden zum Vögeln zu ermuntern vieles gemeinsam habe – man müsse nämlich bei beidem bereit sein, sich auf dem Weg dorthin eine Menge Scheiße anzuhören, ohne einzuschlafen.
Der Lachs wurde aufgetragen. Er war köstlich. Sie verweigerte ein zweites Glas Wein, nicht aus Angst, ihre Widerstandskraft könne dadurch geschwächt werden, sondern weil sie nachher noch Rosie von der Schule abholen musste. Kentmore unternahm keinerlei Anstrengungen, sie umzustimmen.
Sie erkundigte sich nach seiner Schwägerin Kilda.
»Es geht ihr gut«, sagte er. »Sie hat immer zu tun. Sie hat viele Freunde.«
Von denen sie die meisten bei den AA trifft, dachte sich Ellie. Und verpasste sich insgeheim eine Ohrfeige für ihren schändlichen Gedanken.
»Arbeitet sie wieder? Sie war doch Fotografin?«
»Ich hoffe, sie fängt wieder damit an«, antwortete er. »Am Samstag, bei dem Fest, war es das erste Mal, dass ich sie wieder mit der Kamera gesehen habe, seitdem Chris …«
Er brach ab. »Was ist mit Familie?«, schaltete sie sich schnell dazwischen. »Gibt es Kinder?«
»Nein.«
»Das ist schade.«
»Warum sagen Sie das?«
»Ich dachte mir nur, Kinder wären vielleicht ein Trost, wenn man seinen Mann verliert. Ich weiß, falls Peter irgendwas zustoßen sollte, werde ich es noch mehr als jetzt zu schätzen wissen, dass ich eine Tochter habe, Rosie … tut mir leid, das alles geht mich gar nichts an.«
»Kilda hat mich. Wir hatten uns beide, nachdem es passiert ist.«
»Es ist gut, dass Sie sich so nahestehen«, sagte sie.
»Ja. Es war ganz praktisch, dass sie und Chris ein Haus auf dem Anwesen hatten.«
Fast hätte sie gesagt, so habe sie es nicht gemeint, hielt sich aber zurück. Natürlich hatte sie es so nicht gemeint. Wie nahe sie sich standen, welchen Trost sie beim jeweils anderen suchten, ging nur die beiden etwas an. Und sie erinnerte sich wieder an das, was sie bereits Peter gesagt hatte, an ihr intuitives Gefühl, dass die beiden mehr als nur eine verwandtschaftliche Beziehung pflegten.
»Tut mir leid«, sagte sie. »Ich wollte nicht aufdringlich sein. Trauer, der Tod eines nahen Verwandten, das bringt Menschen manchmal näher, manchmal reißt es sie auch auseinander …«
»Sprechen Sie aus eigener Erfahrung?«
»In gewisser Weise ja. Vor unserer Heirat haben wir einige Freunde verloren, Leute, mit denen wir an der Universität gewesen waren, unter Umständen … nun, darauf müssen wir jetzt nicht eingehen. Und damals war ich mir nicht sicher, wozu das führen würde.«
»Aber es hat Sie einander nähergebracht?«
»O ja. Später dann, als Rosie einmal ernsthaft krank war und ich wirklich nicht wusste, was mit uns geschehen würde, falls sie es nicht schaffen sollte … ich weiß es immer noch nicht …«
Er legte die Hand auf ihre. »Ich glaube, Sie haben es ganz gut geschafft. Aber es ist die Hölle, wenn man nicht loslassen kann. Die Zeit heilt Wunden, sagt man. Aber in dem Augenblick, als mir bewusst wurde, dass Chris tot ist, brach eine Wunde in mir auf, die durch nichts geheilt werden kann.«
Seine Finger gruben sich in ihren Handrücken. Sie sagte, weil sie es notwendig fand, etwas zu sagen, irgendetwas, damit er dieses schreckliche Ereignis nicht erneut durchlebte: »Wie haben Sie es erfahren? Per Brief, oder wurden Sie direkt kontaktiert?«
»Was? Ah, ja, danach. Aber ich habe es schon gewusst. Ich habe ihn sterben hören, verstehen Sie.«
O Gott, dachte sie. Würde das eine dieser mystischen Erfahrungen werden, über die sie sich gewöhnlich mokierte und als retrospektives Neuarrangement der Möbel bezeichnete? Und als ich hörte, er sei am Donnerstag um zwei Uhr gestorben, erinnerte ich mich, dass genau um die Zeit eines meiner besten Kristallgläser zerbrach … fiel einfach auseinander … Er hat diese Gläser immer geliebt …
Sie zog ihre Hand unter seiner
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