Der Tod und der Dicke
sie haben abgewogen, was ihnen lieber ist – eine lange Nacht mit Ihnen im Verhörraum oder eine Ewigkeit im Paradies mit einer den Märtyrern versprochenen Huris –, als sie Mr. Dalziel und Sie auf sich zukommen sahen. Wie auch immer, es hat jedenfalls Bumm gemacht!«
Sanft löste sie ihre Hand, an die sich Pascoe, wie ihm jetzt bewusst wurde, geklammert hatte wie ein alter Seemann, der unbedingt auf ein Schwätzchen aus war. »Passen Sie auf sich auf, Peter«, sagte Glenister. »Die Polizei kann es sich nicht leisten, in diesen unruhigen Zeiten auf ihre blauen Smarties zu verzichten. Ich hoffe wirklich, dass Sie sehr bald wieder zum Dienst erscheinen können.« Sie verließ den Raum.
Eine Weile lang starrte Pascoe auf die geschlossene Tür, warf die Decke zurück und schwang die Beine auf den Boden.
Überrascht musste er feststellen, wie geschwächt er sich nach dieser einfachen Bewegung fühlte. Er saß noch immer auf der Bettkante und wollte sich dazu aufraffen, das Knie zu testen, als Wield hereinkam.
»Wohin willst du denn?«, fragte der Sergeant.
»Ich will Andy sehen.«
»Nicht jetzt, auf keinen Fall«, sagte Wield.
Etwas in seinem Ton alarmierte Pascoe und sagte ihm, dass der Sergeant nicht nur als Schwesternersatz hier war.
»Warum? Was ist los?«
»Ich hab die Stationsschwester gebeten, sich nach Andys Zustand auf der Intensivstation zu erkundigen«, sagte Wield. »Sie hat mit jemandem dort gesprochen, aber dann ist am anderen Ende der Leitung die Hölle ausgebrochen. Pete, sein Herz ist stehen geblieben. Das Reanimationsteam ist mit ihm beschäftigt, aber nach allem, was die Schwester sagt, sieht es nicht gut aus. Pete, wir sollten uns darauf gefasst machen. Das könnte das Ende des Dicken sein.«
7
Tanz mit dem Tod
Andy Dalziel ist im Mecca-Ballsaal, wo er eng umschlungen mit Tottie Truman aus Doncaster Tango tanzt. Er fühlt sich so leicht wie eine Feder. Seine Füße scheinen kaum den Boden zu berühren, seine Muskeln reagieren auf jede Modulation der Musik, als würden die Töne in seinen Arterien und nicht in seinen Ohren vibrieren. Und er spürt das Blut, das in Totties Adern pulsiert, ein vollkommener Kontrapunkt zu seinen eigenen Rhythmen, während sie sich unerbittlich auf den glückselig-explosiven Augenblick völliger Vereinigung zubewegen …
Aber nicht auf dem Tanzboden! Es ist alles eine Frage des Timings. Auf der Suche nach einer Verzögerung zwingt er sich dazu, gedanklich einen Schritt zurückzutreten und seine Umgebung in sich aufzunehmen. Das Mirely Mecca hat sich sehr verändert seit seinem letzten Besuch, der … wann stattgefunden hat? Er kann sich nicht mehr erinnern. Macht nichts. Die Decke ist höher geworden, und die schlanken, hohen Fenster, frühlingshaft leuchtend mit ihrem bunten Glas, würden einer Kathedrale nicht zur Schande gereichen. An den Wänden stehen lange, mit weißem Leinen gedeckte Tische, darauf ein königliches Bankett mit allem, was er liebt – auf einem Tisch Lammkarree, Lendenstücke, Schweinebraten mit gefurchter krosser Kruste, Honigschinken; auf einem anderen Gänsebraten, Weihnachtstruthähne, Enten mit Kirschen, Fasane, mit den eigenen Federn dekoriert; auf einem dritten ganze Lachse, Salzheringe, Gebirgsketten aus Austern und Muscheln. Ein weiterer quillt über mit Desserts: Brot-und-Butter-Pudding, Rhabarberstreuselkuchen, Spotted Dick samt seiner Kindheits-Lieblingsspeise, Eve’s Pudding.
Und dort, am Tisch, der beladen ist mit jedem Malt-Whisky, den er jemals gekostet hat, steht Peter Pascoe, eine geöffnete Flasche Highland Park in der einen Hand und in der anderen einen übergroßen, bis zum Rand gefüllten Kristall-Tumbler, den er ihm einladend lächelnd hinstreckt … Später, Bursche, gibt er ihm lautlos zu verstehen. Später. Das Wichtige zuerst. Tanzen, bis die Musik ihren Höhepunkt erreicht, dann flugs durch die Tür in den dunklen Nebenraum am Ende des Gangs, um ihre und seine … Danach, schließlich ist er ein Gentleman, würde er einen sittsamen Zeitraum von vielleicht eineinhalb Minuten verstreichen lassen, bevor er wieder zurückeilt und sich zu einer weiteren Portion Eve’s Pudding verhilft … Aber als er gerade überlegt, wie lange er es noch hinauszögern kann, ändert sich die Musik, und der sinnliche Pulsschlag des Tango beschleunigt zum wilden Wirbel eines Wiener Walzers. Mühelos gehorchen seine Muskeln, durch den Kopf aber spukt ihm die Frage, was zum Teufel sich der Kapellmeister bloß denkt. Rundherum
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