Der Tod und der Dicke
nicht richtig zugehört.«
»Worüber habt ihr euch denn unterhalten?«
»Weiß ich nicht mehr. Über dich, nehme ich an.«
»Über mich?«, kam es von Pascoe alarmiert. »Was hast du ihr erzählt?«
»Was meinst du wohl, was ich ihr erzählt habe?«, gab Ellie indigniert zurück. »Wo das ganze Drogengeld versteckt ist, das du geklaut hast? Ich war ziemlich durch den Wind, ob du’s glaubst oder nicht, und sie war nett.«
»Ja, tut mir leid«, beschwichtigte Pascoe. »Sie scheint sehr nett zu sein. Trotzdem, sieh lieber mal nach, ob du deine Brieftasche noch hast, und ändere deine PINs.«
Ellie lächelte das Lächeln einer Frau, die überzeugt war, dass ihr niemand, egal welchen Geschlechts, durch Schmeicheleien etwas entlocken konnte, was sie nicht preisgeben wollte.
»Ich muss los«, sagte sie mit Blick auf die Uhr. »Das letzte Mal, als ich zu spät kam, um Rosie von der Probe abzuholen, saß sie auf der Schulhofmauer und spielte auf ihrer Klarinette. Vor ihr auf dem Boden lag ein bisschen Kleingeld, aber ich glaube, das hat sie selbst hingelegt.«
»Schade«, sagte Pascoe. »Wäre nett, wenn sie selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen könnte. Richte ihr liebe Grüße aus. Und sag ihr, wir sehen uns morgen.«
»Ja, Pete, und was soll ich ihr über Andy erzählen? Sie sollte doch erfahren, wie schlimm es steht, für den Fall, dass …«
»Dass was?«, blaffte Pascoe. »Verzeih! Erzähl ihr die Wahrheit, so haben wir es immer gehalten, oder? Versuch, gelassen zu bleiben.«
»Klar«, sagte sie. »Übrigens, man hat mir das, was von deiner Kleidung noch übrig ist, gegeben. Ich bin die Taschen durchgegangen, bevor ich sie weggeworfen habe. Da war eine Zahnprothese drin.«
»Die gehört Andy«, sagte er. »Magst du sie reinigen? Er wird sie wiederhaben wollen, wenn er …«
Er verstummte.
»Ich werde sie reinigen«, sagte Ellie und küsste ihn. »Und jetzt muss ich los. Aber du wirst nicht einsam sein. Ich glaube, ich hab schon den nächsten Besucher gesehen.« Sie grinste, und kurz darauf wusste Pascoe, warum. Langsam ging die Tür auf, und ein tristes Antlitz erschien, die Stirn vor Unsicherheit gefurcht, wie die eines Schafes, das sinnierend vor einer Lücke in der Hecke steht, die sein Feld von einer viel befahrenen Straße abgrenzt. »Hector«, sagte er. »Schön, dass Sie zu Besuch kommen. Oder suchen Sie nur das Klo?«
Er war selbst überrascht, dass er sich zu diesem Witz hatte hinreißen lassen. Meistens war er sehr bemüht, sich nicht an den freundlichen Frotzeleien zu beteiligen, die Hector bei seinen Kollegen auslöste.
Insgeheim oder vielleicht auch nicht so insgeheim gab er ihm möglicherweise die Schuld an allem. Wäre Hector nicht gewesen, wäre alles nicht passiert. Oder Dalziel hätte vielleicht alles etwas ernster genommen, wenn es nicht mit Hector begonnen hätte. Oder …
Er schob den Gedanken beiseite und zwang sich zu einem Lächeln.
»Kommen Sie rein«, sagte er. »Setzen Sie sich.«
Langsam kam Hector näher. Wie viele schlaksige Gestalten ging er immer mit nach vorn gebeugtem Kopf, als wollte er von seiner Größe ablenken. In Augenblicken höchster Unsicherheit, von denen es viele gab, übertrieb er mit dieser Pose so sehr, dass Pascoe dabei unweigerlich an jene denken musste, denen der Kopf unter ihrer Schulter wächst und von denen Desdemona sich anscheinend so angemacht fühlte. Dalziel, weniger literarisch angehaucht, aber auf seine Art ebenso poetisch, hatte ihm einst gesagt: »Um Gottes willen, Bursche, steh doch mal gerade. Du siehst ja aus, als hätte einer deinen Kittel auf einen Kleiderbügel gehängt und vergessen, dich rauszunehmen.«
Vorn auf der äußersten Stuhlkante nahm er Platz und starrte gebannt auf Pascoe.
»Also«, sagte Pascoe herzlich. »Und wie geht’s so im Betrieb? Ich meine, in der Dienststelle. Der Polizeidienststelle.«
Es konnte nicht schaden, wenn man sich bei seiner Unterhaltung mit Hector präzise ausdrückte.
»Ganz gut«, sagte Hector. »Ich meine, jeder macht sich fürchterliche Sorgen um Sie und Mr. Dalziel.«
»Ja? Nun, sagen Sie ihnen, mir geht es gut. Und der Superintendent, na ja, da müssen wir abwarten.«
Es folgte ein langes Schweigen, währenddessen Pascoe bereits überlegte, ob er dem Besuch unter dem Vorwand der Müdigkeit ein Ende setzen sollte, als es aus Hector plötzlich herausbrach: »Stimmt es, dass er sterben wird, Sir?«
»Ich hoffe doch nicht«, antwortete Pascoe, gerührt von der zum Ausdruck gebrachten
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