Der Tod und der Dicke
abgestellt, wussten Sie das nicht?«
»Hab so was läuten hören«, sagte Collaboy.
»Kopf hoch«, sagte Pascoe, alles andere als glücklich, seinen Kollegen in die Irre zu führen. »Es ist Ihr Revier und Ihre Festnahme. So, dann wollen wir doch mal sehen, was sich finden lässt.«
»Sir!«, rief ein Constable von oben.
Er befand sich in einem kleinen Zimmer mit einem Einzelbett, auf dem eine Reisetasche stand, in die Youngman seine Sachen gepackt hatte. Der Constable hatte die Schubladen der Frisierkommode aufgezogen. In einer davon lag eine 9-Millimeter-Beretta und mehrere Magazine. In der anderen ein Bündel, das für Pascoes unfachmännischen Blick wie Zünder aussah, daneben eine Plastikdose mit grauem, tonartigem Material. »Sex-Hilfen?«, fragte Collaboy.
»Wir sollten lieber mal ein Sprengkommando rufen«, sagte Pascoe. »Versiegeln Sie dieses Zimmer, gehen wir die anderen Räume durch.«
Nebenan lag ein weiteres, größeres Schlafzimmer, eindeutig das der Frau. Nichts deutete darauf hin, dass sie sich das Bett geteilt hatten, was angesichts Youngmans Ruf doch sehr interessant war. Weiter unten am Treppenabsatz stieß Pascoe auf eine verschlossene Tür. Er verschwendete keine Zeit mit der Suche nach einem Schlüssel, sondern trat sie einfach auf. Es war Kildas Dunkelkammer. Regale mit fotografischen Materialien und verschiedenen Kameras. Sie war augenscheinlich nicht nur künstlerisch, sondern auch technisch bewandert, denn auf einer Arbeitsfläche entdeckte Pascoe die Innereien einer Kamera, die zu Reparatur- oder Umbauzwecken herausgenommen worden waren. Aber er hielt sich damit nicht lange auf, denn aus den Augenwinkeln heraus bemerkte er etwas, was ihm seltsam bekannt vorkam.
Und als er sich zu der halb durch die geöffnete Tür verdeckten Wand umdrehte, bemerkte er die Fotoabzüge, die dort hingen, ein halbes Dutzend. Sie zeigten allesamt sein eigenes Gesicht.
Eingefangen in dem Augenblick, in dem er sich ein Stück Biskuitkuchen in den Mund schob, machte ein Mensch nicht den besten Eindruck, wie Pascoe selbstkritisch erkannte. Aber es gab auch einige gute Bilder, und sie hatten die Freude in seinem Blick eingefangen, die dem Genuss der Kuchen und Kildas Gesellschaft entsprungen war. Kurz durchlebte er wieder den magischen Augenblick, als sie am Ruhepunkt einer sich drehenden Welt zusammengesessen hatten, in einer Stille, die eindringlicher gewesen war als jede Musik.
Dann wanderte sein Blick zu weiteren aufgehängten Bildern, und der Moment zerstreute sich noch gründlicher als damals durch die ferne Kakophonie des Terriers.
Andere Eindrücke vom Dorffest waren zu sehen. Ellies fragender Blick, Kentmore, der ganz den herzlichen Gastgeber hervorkehrte, die halsstarrige Rosie, Sarhadi und Jamila, lächelnd und glücklich. Diese Dorffestbilder waren von weniger gestochen scharfen Bildern umgeben, als wären sie mit dem Teleobjektiv einer von Hand gehaltenen Kamera aufgenommen. Bilder, die die Moschee in Marrside zeigten und einen bärtigen Mann, der aus dem Gebäude kam und in einen wartenden Wagen stieg.
Scheich Ibrahim. Pascoe zweifelte nicht daran, dass sie exakt an jenem Tag aufgenommen worden waren, an dem jemand auf das Hecklicht des Wagens einen Schuss abgegeben hatte – nicht den Schuss eines Profis wie Youngman, der in einem solchen Fall ein perfekt kalibriertes Scharfschützengewehr benutzt hätte.
Nein, ein Schuss, der abgegeben wurde, weil sich die Gelegenheit dazu geboten hatte, eine Kugel aus einer 9-Millimeter-Beretta, der gleichen Pistole, wie sie hier im Cottage gefunden worden war und die Kilda auch in der Mill Street eingesetzt hatte.
Pascoe eilte aus der Dunkelkammer, lief nach unten und aus dem Haus. Das Telefon, mit dem er Youngman angerufen hatte, lag noch immer dort, wo er es liegen gelassen hatte. Er spulte das Band zurück und hörte es sich an.
Kilda? Nein, tut mir leid. Sie war hier, ist aber weggefahren. Zum Einkaufen, nehme ich an. Sie kennen die Frauen ja. Wenn ’s nicht der Sex ist, dann ist es das Einkaufen. Irgendeine Ausrede finden sie immer. Schlussverkauf, Geburtstage, etwas für die Hochzeit. Ich hab ihr gesagt, sie soll hierbleiben, aber Sie als verheirateter Mann, Chief Inspector, müssen es ja wissen. Hat sich eine Frau erst mal was in den Kopf gesetzt, braucht es schon eine M19, um es ihr wieder auszureden. Wir Diener der Krone, wir folgen nur unseren Befehlen, aber Frauen, verdammt noch mal, die machen einfach, was ihnen gefällt.
Und
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