Der Tod und der Dicke
sie redeten, immer dieselben, er aber, er änderte Gestalt und Tonfall und Sprechweise ganz und je nach Gesellschaft. Was sehr nützlich sein konnte, es aber auch schwierig machte, sein wahres Selbst zu fassen zu kriegen. War es zum Beispiel sein wahres Selbst gewesen, das Ellie auf so grausame Weise vorgetäuscht hatte, Dalziel sei tot? Und machte es die Sache nun besser oder schlimmer, wenn, wie er wusste, zumindest der größere und intensivere Teil ihres Schmerzes nicht so sehr aus dem Verlust des Dicken herrührte, sondern aus ihrer Anteilnahme an seiner vermeintlichen Trauer?
Schlimmer, entschied er ohne großes Hadern. Es machte die Sache sehr viel schlimmer.
Wenn dies alles vorbei war, schwor er sich, würde er sich ändern. Es war die Mill Street, die das alles mit ihm angestellt hatte. Er würde Tabletten nehmen, sich einer Therapie unterziehen, die Uhr zurückdrehen, bis er wieder ganz er selbst war.
Was zu der ersten Frage zurückführte. Wer war dieses ich überhaupt?
Er schob die introspektiven Grübeleien beiseite und konzentrierte sich darauf, den schnellsten Weg durch den Samstagnachmittagsverkehr zu finden, der, zwar weniger dicht als an einem Wochentag, durch Unberechenbarkeit ausglich, was ihm an Dichte fehlte. Was machten diese Leute nur mit ihren Autos unter der Woche?, fragte er sich, als er aggressiv einen gelben Käfer überholte, der mit der sorglosen Unbeirrbarkeit einer Panzereinheit, die in ein unverteidigtes belgisches Dorf einrollte, die Mitte der Straße behauptete.
Durch die Fahrt zum Dorffest kannte er die schnellste Strecke. Hinter Harrogate nahm er die Straße über die Pateley Bridge. Als er Burnt Yates passierte, musste er wieder an den Englischunterricht der Oberstufe denken. Die Menschheit verträgt nicht sehr viel an Wirklichkeit. Deshalb gab es Polizisten, dachte er. Damit sie sich stellvertretend für den übrigen Haufen der Wirklichkeit stellten!
Mittlerweile war er von der Hauptstraße abgebogen, und nachdem er das Dorf Haresyke hinter sich hatte, fuhr er an das »Zufahrt gesperrt«-Schild mit dem diensthabenden Constable heran. Jim Collaboy vermittelte stets den Eindruck wohliger Trägheit, aber wenn es drauf ankam, war er auf Zack.
Pascoe wies sich aus, und der Beamte sagte ihm, der DI und sein Team warteten hinter der nächsten Kurve, dreihundert Meter vor der Einfahrt zur Haresyke Hall.
Das Sondereinsatzkommando hatte einige hundert Meter weiter an der Straße geparkt. Als Pascoe hinter den SEK-Fahrzeugen anhielt, musste er an den vergangenen Sonntag oben in Northumberland denken. Wie lange es her schien.
Wie wütend Ellie wegen seiner Beteiligung gewesen war. Sie hasste Waffen und alles, was damit zu tun hatte. Jetzt war er wieder dabei, war auf der Jagd nach derselben Beute und traf sich wieder mit bewaffneten Männern, die Helme mit Visieren und schusssichere Westen trugen.
Jim Collaboy kam auf ihn zu und begrüßte ihn.
Er sah älter aus als vierzig, hatte graues, schütter werdendes Haar und ein wabbeliges, fleckiges Gesicht, das ihm wie eine schlecht sitzende Maske an den breiten Wangenknochen hing.
»Hallo, Jim«, sagte Pascoe und schüttelte ihm die Hand.
»Für einen fetten alten Furzer sind Sie ziemlich schnell in die Gänge gekommen.«
»Hören Sie mir auf mit dem alt«, sagte Collaboy. »Dachte, das Briefing überlass ich Ihnen, sonst fällt den anderen nur auf, wie wenig ich weiß.«
»Gut«, sagte Pascoe.
Neben Collaboys blauädrigem Käseantlitz wirkte das Gesicht des befehlshabenden SEK-Sergeant wie polierte Kreide, seine Gesichtszüge wären in der Antikensammlung des Britischen Museums nicht fehl am Platz gewesen. Selbst sein Name, Axon, hatte etwas Griechisches an sich.
Pascoe bediente sich eines knappen Befehlstons.
»Mögliche Anwesende zwei Personen, ein Mann und eine Frau. Der Mann hat eine SAS-Ausbildung genossen, Kriegsveteran, Waffen- und Sprengstoffexperte, muss als potenziell sehr gefährlich eingestuft werden. Die Frau verfügt, soweit ich weiß, über keinerlei Erfahrung im Umgang mit Waffen, ist aber wahrscheinlich labil und fähig sowie bereit, Gewalt anzuwenden. Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Mann bewaffnet ist.«
»Mit wie viel Widerstand ist zu rechnen, Sir?«, fragte der Sergeant mit überraschend weicher Stimme.
Pascoe zögerte und rief sich ins Gedächtnis, was er über Youngman wusste.
»Ich würde sagen, der Mann wird es nicht auf ein Feuergefecht ankommen lassen. Erstens, er
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