Der Tod und der Dicke
dann erinnerte er sich, was Youngman gesagt hatte, als er am Boden gelegen und ihn angegrinst hatte.
Keine unschönen Überraschungen. Von Ihnen natürlich mal abgesehen. Habe Sie frühestens in einer Stunde erwartet …
Warum sollte er erwarten, dass die Polizei irgendwann an diesem Tag am Torhaus auftaucht?
»O Scheiße«, sagte Pascoe.
Er rannte zu seinem Wagen.
»Pete!«, rief Collaboy hinter ihm her.
Er blieb stehen und drehte sich um.
Der DI hatte sein Handy am Ohr und verdeckte es mit der Hand.
»Ich hab Bagshit dran. Er hat gehört, dass ich ein SEK angefordert habe, und will wissen, was verdammte Scheiße noch mal hier los ist.«
Superintendent Bagshott in Harrogate war berüchtigt dafür, dass er es in puncto Verfahrensfragen sehr genau nahm und sich liebend gern mit den Verdiensten anderer Beamter schmückte.
»Was haben Sie ihm gesagt?«, brüllte Pascoe.
»Die Wahrheit, Sie Idiot. Was hätte ich ihm sonst sagen sollen? Er will mit Ihnen reden.«
»Dann sagen Sie ihm noch mal die Wahrheit«, rief Pascoe.
»Sagen Sie ihm, ich bin nicht hier.«
»Aber Sie sind doch …«
Dann wurde Collaboy bewusst, dass Pascoe ihn nicht bitten wollte zu lügen.
Der DCI verschwand im Spurt von der Bildfläche, und kurz darauf deutete nur noch das in der lauen Sommerluft verklingende Aufheulen eines geplagten Motors darauf hin, dass er jemals da gewesen war.
5
Hochzeitsgeschenke
Jetzt war er also ein verheirateter Mann, dachte sich Kalim Sarhadi.
Während der gesamten Zeremonie hatte er sich seltsam abwesend gefühlt, mehr wie ein unbeteiligter Zuschauer als eine der Hauptpersonen. Das noch stärkere Gefühl, auch von Jamila getrennt zu sein, hatte es nicht besser gemacht. Einige Wochen zuvor hatte sie verkündet, sie wolle nicht das bei westlichen Hochzeiten übliche weiße Brautkleid tragen, sondern das traditionelle Salwar-Kamiz. Er hatte sich darüber amüsiert und angenommen, sie wolle damit lediglich die Knallköpfe überraschen, doch als er sie in dem Gewand sah, blieb ihm schlicht die Luft weg. Im westlichen Weiß hätte sie zweifellos wunderschön ausgesehen, in dem scharlachroten, reich verzierten Seidengewand mit seinen schweren Goldfäden aber war sie ein exotisches Juwel. Er konnte nicht glauben, dass dieses liebliche Wesen seine Jamila war. In seinem grauen Anzug und dem blendend weißem Hemd fühlte er sich schäbig und fehl am Platz. Ihm war, als befände er sich in einer der alten Geschichten, in der ein junger Mann, der sich seit seiner Kindheit zu einem unbekannten Mädchen hingezogen fühlte, sich sehr beklommen seinem Hochzeitstag näherte, um zu erfahren, dass er sich eine Prinzessin eingehandelt hatte.
Aber er wollte keine Prinzessin, er wollte seine Jamila.
Dieses Gefühl der eigenen Unzulänglichkeit hielt den gesamten Weg zum Marrside Grange Hotel an, wo er auf einem niedrigen Podium neben Jamila auf ein Sofa gesetzt wurde, damit die versammelten Hochzeitsgäste sie zusammen sehen und mit ihren Glückwünschen und Geschenken an ihnen vorbeidefilieren konnten. Er wandte sich ihr zu, und sie wandte sich ihm zu. Kurz sahen sie sich ernst in die Augen, zwei einander völlig fremde Personen, die grübelten, was die Zukunft ihnen bereithalten mochte.
Dann grinste sie und murmelte: »Irgendeine Möglichkeit, das Essen ausfallen zu lassen?« Und plötzlich war sie wieder seine Jamila.
Er entspannte sich und begann seinen Hochzeitstag zu genießen.
Wie bei den meisten aus der zweiten oder dritten Generation war die Hochzeit eine Mischung aus Altem und Neuem, aus östlichen und westlichen Traditionen.
Die Nikah in der Moschee hatte sich natürlich an den tradierten Ritus gehalten, für die Walima im Hotel jedoch waren einige Veränderungen vorgenommen worden. Die Präsentation des Ehepaars fand, anders als sonst üblich, nicht nach, sondern vor der eigentlichen Walima statt, und die Walima selbst, die in Pakistan traditionell aus zwei Banketten bestand, eines für die Männer, eines für die Frauen, würde gemischt abgehalten werden.
»Mir egal, was sie dort drüben machen«, hatte Tottie erklärt. »Hier bei uns schafft der an, der die Zeche zahlt.«
Einwände seitens irgendwelcher Fundamentalisten waren durch das Einverständnis des Scheichs zu den von Tottie getroffenen Vorkehrungen zum Schweigen gebracht worden.
Als Sarhadi ihm dafür dankte, hatte er lächelnd erwidert: »Fundamentalismus handelt vom Wesentlichen, nicht von der äußeren Form. Wenn wir die alten
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