Der Tod und der Dicke
allem aber, weil nur die wenigsten wirklich daran glaubten, dass es zu etwas anderem nützlich war, außer weiterhin die Illusion der Hoffnung zu nähren.
Illusion aber war kein Begriff, dem man Cap Marvell an den Kopf werfen wollte, wenn sie so richtig wütend war, weshalb also jetzt erneut die Melodie von »In the Mood« erklang, gespielt vom Dorsey Brothers’ Orchestra, und sich in das Ohr des Dicken schlich und ihr blechernes Strahlen spiralförmig in die Dunkelheit hinunterschickte.
Einige Sekunden später hätte eine momentane, auf die Musik ansprechende Synkope der bis dahin regelmäßigen Töne des Herzmonitors das Interesse der Schwestern wecken können, aber da waren sie schon wieder zur Tür hinaus und auf dem Weg zu ihrem nächsten engelhaften Auftrag.
8
Objektiv und unparteiisch
Am Samstagmorgen erwachte Pascoe als Folge einer be-sonders intensiven innerkörperlichen Erfahrung spät.
Er rollte sich auf die andere Seite des Bettes, wo sich noch Ellies warmer Abdruck abzeichnete, während er sich die Ereignisse der vorangegangenen Nacht durch den Kopf gehen ließ. Nach ihrer anfänglich rasenden Liebesrunde hatte Ellie ihm gestanden, wie sehr der Anblick der Waffe sie erschreckt hatte, und er erzählte, wie er sich in den langen Minuten nach dem Ausfall des Fernsehbildes gefühlt hatte. Dann waren sie lange in den Armen des jeweils anderen gelegen, hatten sich aneinandergeklammert, weniger wie Liebende, sondern wie zwei Kinder, die sich in einem dunklen Wald verlaufen hatten und die jedem Schrecken entgegentreten konnten, nur nicht dem Schrecken des Alleinseins.
Die Schlafzimmertür öffnete sich. Er sah auf, lächelte und erwartete Ellie mit Kaffee und Croissants.
Sie kam herein, aber ohne Kaffee. Und sie erwiderte sein Lächeln nicht.
»Ich hab gerade die Nachrichten gehört. Mike ist ermordet worden. Hast du das gewusst?«
Wer ist Mike?, fragte er sich insgeheim, glücklicherweise jedoch hielt sein Gehirn die Antwort bereit, bevor er die Frage artikulieren konnte: Michael Carradice alias Abbas Asir, der mutmaßliche Terrorist.
Er setzte sich auf. »Gestern in den Nachrichten, da kam was über eine Leiche, sein Name ist auch erwähnt worden, aber nichts Definitives. Ist es jetzt bestätigt?«
»O ja. Warum hast du nichts gesagt?«
»Mir sind andere Dinge durch den Kopf gegangen, du erinnerst dich?«
»Dinge wie Sex, meinst du?«
Er erwiderte nichts, sondern betrachtete sie nur mit ernster Miene, bis sie das Gesicht verzog.
»Tut mir leid, ich weiß … ich bin … Scheiße, ich weiß nicht, wie es mir geht. Das hier ist doch England, oder? Aber es gehen Bomben hoch, Menschen wird der Kopf abgehackt, im Fernsehen fuchtelt man mit Pistolen rum, und jetzt … Was geht hier vor, Peter?«
Er griff nach ihrer Hand und zog sie zu sich auf das Bett.
»Ich weiß es nicht, aber ich werde es herausfinden«, sagte er.
»Hat die Polizei noch etwas gesagt?«
»Nur seine Identifizierung bestätigt. Die Reporter haben Fragen zur Todesursache gestellt. Alle sagen, es sei eine Rizinvergiftung, aber der Polizeisprecher wollte das nicht bestätigen. Ich habe den Fernseher angemacht, dort sind Aufnahmen vom Schlauchboot und dem Banner zu sehen. Jetzt sind alle Zweifel ausgeräumt. Pete, der Kommentator sagt, diese verrückten Templer, die Said Mazraani enthauptet haben, hätten sich gemeldet. Er ist freigesprochen worden, und sie haben ihn trotzdem ermordet.«
»Wahrscheinlich haben sie ihn ermordet, eben weil er freigesprochen wurde«, sagte Pascoe bedrückt.
»Und was unternehmen deine Kumpel in Manchester dagegen?«, fragte sie und löste sich von ihm. »Oder halten sie die Templer nur für Typen, die ihnen die Drecksarbeit abnehmen, und das auch noch umsonst?«
»Ich werde nicht vergessen, sie beim nächsten Mal darauf anzusprechen«, sagte Pascoe. »Jetzt sollten wir uns aber vielleicht in eine anständige Schale werfen, bevor Jane mit unserer Tochter auftaucht.«
Er nahm eine schnelle Dusche und zog sich an. Von unten duftete bereits der frische Kaffee. Er griff sich sein Handy und rief in der Lubjanka an.
Als sich jemand meldete, nannte er seinen Namen und fragte nach Lukasz Komorowski.
Der Grund dafür war ganz einfach. Allen anderen hätte er erst sein Interesse an Carradice erläutern oder riskieren müssen, dass sie sich ihre eigenen Gedanken dazu machten Zu seiner Überraschung wurde er augenblicklich durchgestellt.
»Hallo«, sagte er. »Wusste nicht, ob Sie hier sein
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