Der Tod und der Dicke
hatte, um seine herrische Frau zu ärgern.
Sie duschte, zog sich an, frühstückte Knäckebrot und schwarzen Kaffee und ging zur Tür.
Dort blieb sie stehen, drehte sich um und lief leichtfüßig die Treppe hinauf, um ihre Lieblings-Nikon aus dem obersten Fach des Kleiderschranks zu holen, wo sie Staub angesetzt hatte, seitdem …
Sie verbannte den Gedanken und überprüfte die Batterie. Sie war längst leer, in der Dunkelkammer aber hatte sie genügend Ersatz.
Eine Fliege war durch das offene Fenster hereingesummt und hatte sich am Rand des unberührten Wodkaglases niedergelassen.
»Trink einen auf mich«, sagte sie, und kurz darauf verließ sie die Dunkelkammer und trat hinaus in den Sonnenschein.
10
Festkönigin
Der Samstag fing schlecht an. Nicht nur ihre Schuld, dachte sich Ellie Pascoe, aber sie hatte es auch nicht unbedingt besser gemacht. Was man brauchte, wäre eine lange PIN, die man eingeben musste, bevor man auf den Auslöser für die Explosion drücken konnte.
Rosies Rückkehr hatte einen Waffenstillstand erwirkt, und als das Kind deutlich machte, dass es keine Rolle spielte, was sie taten, solange sie es gemeinsam unternahmen, schien der Ausflug zum Haresyke-Fest gar keine so schlechte Idee zu sein.
Und jetzt, kaum eine halbe Stunde nach ihrer Ankunft, schien die Idee sogar eine sehr gute gewesen zu sein.
Während sie im warmen Sonnenschein an den Ständen vorüberschlenderten, entspannte sich ihr Mann und schien fast wieder der zu sein, der er vor der Explosion in der Mill Street gewesen war. Zugute kam ihnen dabei, dass sie Sarhadi und seine Verlobte getroffen hatten. Er fand anscheinend Gefallen an dem jungen Mann, und was Jamila betraf, die Gesellschaft einer klugen und attraktiven jungen Frau verfehlte nur selten ihre Wirkung, damit er wieder zu dem lebhaften, lachenden Studenten regredierte, als den Ellie ihn kennengelernt hatte.
Ellie konnte diese Verwandlung ohne die geringste Eifersüchtelei genießen. Sie mochte die junge Frau ebenso, außerdem, und wichtiger noch, war klar, dass für sie die Sonne aus den großen braunen Augen ihres Verlobten schien. Jamila, erfuhr sie, war Britin der dritten Generation und unterschied sich in ihrer Sprache und Kleidung so wenig von ihren angelsächsischen Zeitgenossinnen, dass Ellie sich fragte, wie dies mit den Traditionalisten in der Moschee vereinbar war.
In der festen Überzeugung, dass der erste Schritt dazu, Antworten zu erhalten, darin bestand, Fragen zu stellen, sagte sie beiläufig: »Mein Gott, ich wünschte, ich hätte noch die Figur, um ein solches Top zu tragen.«
»Sie sehen doch toll aus«, sagte Jamila mit erfreulicher Ehrlichkeit.
»Danke sehr, aber wenn man erst mal einen Ring hat, sollte man ihn meiner Meinung nach lieber bedeckt halten. Auch wenn er eher einem Fahrradschlauch gleicht und nicht einem ausgewachsenen Michelin-Reifen.«
»Vielleicht, aber viele der Älteren in der Moschee würden mich für viel zu mager halten. Sie lieben es lieber fülliger.«
»Sie bekommen also keinen Ärger, so, wie Sie sich kleiden?«
»Doch, doch«, sagte sie. »Ständig, aber nicht mit meiner Familie, und das ist alles, was für mich zählt. Natürlich würde ich mich noch nicht mal in der Nähe der Moschee so blicken lassen. Nächste Woche werde ich das volle traditionelle Gewand zur Hochzeit tragen. Das sollte die Knallköpfe aus den Socken heben.«
»Knallköpfe?«
»So nenne ich die Typen, die um Scheich Ibrahim herumkriechen, als wäre er der Prophet höchstpersönlich. Kalim meint, ich soll sie nicht provozieren, aber sie kümmern mich nicht. Außerdem sind sie alle Aufschneider. Quasseln ständig davon, dass ich für meine Kleidung und mein Gerede diszipliniert gehöre, aber der Scheich hält sie im Zaum, weil ich Kalims Mädchen bin.«
»Kalim und der Scheich stehen sich also sehr nah?«, fragte Ellie, die an die abwiegelnde Haltung des jungen Mannes denken musste, als es bei Fidlers Dreier um Al-Hijazi ging.
»Irgendwie«, antwortete die junge Frau zögernd. »Die meiste Zeit, wenn es um Politik geht, kratzen sie sich eher die Augen aus. Er ist schon komisch, der Scheich. Manchmal klingt er, als würde er den ganzen Westen am liebsten niederbrennen, und dann wieder ist er in vielem entspannter als mein Dad.«
»Sie glauben also nicht, dass da was dran ist, wenn die Zeitungen schreiben, er würde seine Anhänger zu Terroranschlägen aufstacheln?«
Das Mädchen erwiderte nicht sofort etwas darauf. Ellie dachte bereits,
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