Der Tod Verhandelt Nicht
hat, bevor sie türenknallend weggerannt ist? ›Giovanni ist nicht mein Vater! Du hattest nicht das Recht, ihn mir aufzuzwingen, nur um Bacci zu ärgern.‹ Jetzt will sie nach Sardinien fahren, weil es, wie sie sagt, ›ihr verdammtes Recht ist, den Mann kennenzulernen, der ihr den Nachnamen vererbt hat‹. Also pass gut auf, du Mistkerl. Pass auf, was du sagst. Pass auf, was du mit meiner Tochter tust. Denn wenn du sie verdirbst, dann bringe ich dich um!«
»Es tut mir leid«, murmelte ich. »Dass das Ganze so aus dem Ruder läuft, wollte ich natürlich nicht. Ich hätte aber auch nicht gedacht, dass du ihr von unserem Abend im Café erzählst.«
»Das
musste
ich; sie wusste, dass ich mich mit dir getroffen hatte, und löcherte mich mit Fragen.«
»Am Telefon hat sie auf mich alles andere als aufsässig gewirkt. Sie hat immer wieder betont, dass sie erst mit dir sprechen müsse. Ich habe das Gefühl, du bauschst die Sache ganz schön auf.«
»Aglaja ist voller Hass. Nutz das ja nicht aus, sonst …«
»Ich weiß. Sonst bringst du mich um.«
»Genau. Deine Verbrecher haben es ja nicht hinbekommen, aber ich werde es schaffen. Aglaja ist alles, was ich habe. Wehe, wenn du sie gegen mich aufhetzt und mir wegnimmst.«
»Hass ist ein großes Wort. Wahrscheinlich ist das einfach nur eine Antihaltung wie bei allen Kindern in ihrem Alter.«
»Du machst es dir mal wieder schön einfach. Dich möchte ich mal an meiner Stelle sehen!«
Ich hätte Clara nur zu gern daran erinnert, dass sie in den letzten zehn Jahren wirklich alles dafür getan hatte, um sich bei unserer Tochter den besten Platz zu sichern. Und um mir den undankbarsten von allen Plätzen zu überlassen. Den des krätzebehafteten Aussätzigen, der sich seiner Tochter nicht einmal nähern durfte. Aber ihr das vorzuhalten, hätte es mir auch nicht leichter gemacht, Aglaja wiederzusehen. Also verabschiedeten wir uns wieder einmal so und vereinbarten, bald zu telefonieren. Ohne Genaues auszumachen.
»Clara ist echt ein harter Brocken«, lautete der lakonische Kommentar von Virgilio Loi.
Er deckte hinter mir den Tisch. Die Lampe draußen auf der Veranda war angeschaltet, und sein Gesicht mit dem leicht ironischen Ausdruck leuchtete gelblich. Es war Freitagabend, und wie jeder ordentliche Bauer hatte Virgilio geduscht, sich rasiert, ein weißes Hemd und saubere Jeans angezogen. Aus seiner Wohnung drang der Duft nach gekochtem Fleisch, und auf dergeblümten Wachstuchtischdecke standen für uns beide ein Teller mit einem mit Öl, Salz, Knoblauch und Tomaten belegten
pane pistoccu
und ein Brett mit einer noch unangeschnittenen Salami und einem Laib Pecorino. Er ging ins Haus und kam mit Weingläsern und einer Flasche Rotwein zurück. Aus der Hosentasche holte er seine
pattada
, das sardische Klappmesser mit Horngriff, und begann, den Käse und die Salami aufzuschneiden. Danach schenkte er den Wein ein und schob mir ein Glas herüber.
»Probier mal diesen Cannonau. Während der fünf Jahre in der Flasche wird er so um die fünfzehn Prozent angesetzt haben. Von dem könnten wir noch eine Menge lernen. Wie man in Würde altert zum Beispiel. Und wie man es schafft, dass man nicht von den Misslichkeiten des Lebens sauer wird.«
Ich hatte mich noch immer nicht beruhigt. »Aber Clara ist echt das Letzte! Der reicht es nicht, dass sie mir bis jetzt das Leben vermiest hat.«
»Frauen sind wie Wildschweine. Wenn du sie verletzt, werden sie erst richtig gefährlich.«
Virgilio kannte meine Exfrau gut. Nach unserer Heirat waren Clara und ich mehrmals zusammen nach Tertenia gekommen – glücklich und verliebt. Irgendwann fingen wir jedoch an, uns ständig zu streiten, und sie wollte nichts mehr von einem Urlaub auf Sardinien wissen. Meine Tochter hatte diesen Ort nie zu Gesicht bekommen, sondern nur gehört, dass ich jetzt immer »mit meinen Nutten« hierherkam, wie ihre Mutter es auszudrücken pflegte.
Ich ging ins Haus und brachte zwei Kerzen mit nachdraußen, die wir an den Enden des Tisches aufstellten. Dann setzten wir uns und fingen an zu essen. Virgilio kostete den Wein mit Kennermiene. Der Cannonau enthielt die ganze Kraft der Sonne, die brutale Hitze des sardischen Sommers. Es konnten mehrere Monate vergehen, ohne dass es hier regnete, mehrere Monate, in denen Gluthitze und Wind die ausgedörrte Erde und ihren unbändigen Durst verhöhnten.
Ich bemerkte, dass mein Freund vom Thema abzulenken versuchte. Vielleicht wollte er mich nicht mit meiner
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