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Der Tod Verhandelt Nicht

Der Tod Verhandelt Nicht

Titel: Der Tod Verhandelt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Morchio
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Beretta auf den Tisch, nahm Tabak und Pfeifenreiniger und begann, meine Pfeife zu stopfen.
    »Hier gegenüber, auf der anderen Straßenseite?«
    »Oben, auf dem Nuraghen-Hügel.«
    Ich goss noch mal Whisky nach und nahm einen großen Schluck. »Seit zehn Jahren warte ich darauf, meine Tochter wiederzusehen. Da lasse ich mir jetzt wohl kaum von irgend so einem alten Sack dazwischenfunken. Das erlaube ich dem einfach nicht.«
    »Was hast du vor?«
    »Ich werde es ihm nicht erlauben«, wiederholte ich.
    Ich spürte, wie meine Zunge mir immer dicker und klebriger am Gaumen hing, nahm die Beretta, ging die Stufen der Veranda hinunter und stolperte in Richtung Strand. Sofort war ich umgeben von tiefster Dunkelheit, eingetaucht in einen mondlosen, mit Sternen übersäten Himmel. Auf dem Nuraghen-Hügel waren zwei erleuchtete Fenster zu sehen. Sie wirkten wie zwei unbewegliche Glühwürmchen, die in der Dunkelheit schwebten. Das musste Gancis Villa sein.
    »Hörst du mich, du Hurensohn?«, schrie ich in die Nacht hinaus. »Ich werde es nicht zulassen, dass du den Besuch meiner Tochter versaust.«
    Aber das Haus war zu weit weg. Von dort oben konnte er mich nicht hören.
    »Pass bloß auf, was du tust. Hier, sieh nur, was dich sonst erwartet.« Ich entsicherte die Pistole und gab einen Schuss ab. »Hast du das gehört, du alter Bastard?«
    Ein, zwei, drei Blitze, die die Finsternis des Hofes erhellten. Die Ruhe in Sarrala wurde von drei erschreckenden Schüssen zerrissen, und die aromatische Luft war auf einmal erfüllt von stechendem Korditgeruch. Als es um mich herum wieder still wurde, bemerkte ich, dass die Grille unten am Weinberg nicht mehr zirpte.

Besuche
    Wir hatten noch bis halb drei morgens weitergemacht, bis die zweite Flasche Lagavulin so leer war wie unsere Köpfe. Wir hatten einander unsere Seelen entblößt, uns, trunken vor Whisky und Sehnsucht, von den Frauen erzählt, die wir zuletzt kennengelernt hatten, aus voller Kehle gesungen:
»L’ultima donna che avremo se non è bella fa niente. L’ultima che abbracceremo …«,
und waren dann irgendwann angezogen in die ungemachten Betten gefallen, in denen uns ein komatöser, traumloser Schlaf übermannte. Ein Schlaf, dunkel wie das Meer von Sarrala in mondlosen Nächten.
    Am nächsten Morgen hatte ich einen Schwarm verrücktgewordener Bienen im Kopf. Selbst die Stunde unter der kalten Dusche half mir nicht auf die Beine. Dabei war das Wasser, das die im Freien stehende Dusche speiste, sicher kalt genug, um einem Stockfisch wieder Leben einzuhauchen.
    Eine große Tasse schwarzen Kaffee in den Händen irrte ich dann gegen elf Uhr vormittags in einem blauen Frotteebademantel im Haus und auf der Veranda herum wie eine Seele im Fegefeuer – ohne irgendetwas Sinnvolles zustande zu bringen. Immerhin hatte ich die drei Patronenhülsen von letzter Nacht eingesammelt, aber das war auch das einzig Nützliche, das ich getan hatte.
    Es war wieder ein klarer, sonniger Tag, die Luft war warm und gesättigt mit allen Aromen der Macchia. Von Virgilio und seinem Pick-up fehlte jede Spur. Wahrscheinlich war er nach Barisoni gefahren, um in Gancis Weinbergen nach dem Rechten zu sehen, oder zum Monte Ferru, um dort Wildschweine oder den Geist von Valentino Sanna zu jagen. Der Ärmste war sicher auch nicht gerade putzmunter an diesem Vormittag.
    Jedenfalls konnten wir so nicht weitermachen, wir durften uns nicht jeden Abend die Kante geben. Ich schaltete das Handy ein und sah nach, ob jemand angerufen hatte. Nichts. Schließlich wollte ich gerade mit dem festen Vorsatz, mich zu rasieren, ins Bad gehen, als ich von der staubigen Straße hinter dem Haus her ein entferntes Hecheln hörte, das immer näher kam. Ich ging die drei Stufen der Veranda hinunter und erblickteauf der asphaltierten Straße den kleinen Mischlingshund, der am Strand um mich herumgeschlichen war. Kaum hatte er mich gesehen, legte er einen Zahn zu und begann mit dem Schwanz zu wedeln. Er näherte sich ohne jede Furcht, schnüffelte an meinen Füßen und ließ sich von mir mit einem genießerischen Ausdruck die Schnauze kraulen. Seine Magerkeit verunsicherte mich ein wenig, doch sie stimmte mich auch milde.
    Ich ging ins Haus, nahm das feuchte Tuch vom Pecorino, schnitt ein Stück Käse ab, legte es auf den Kachelfußboden der Veranda und nahm in einem Korbsessel Platz. Der Hund sah es speicheltriefend an, zögerte aber noch. Kaum rief ich ihn, stürzte er sich aber darauf und schlang den Käse mit einem Happs

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