Der Tod Verhandelt Nicht
Fragen zu stellen und mich lieber höflich und gastfreundlich zu geben, kurz: die erste Grundregel des Zusammenlebens in dieser Gegend zu beherzigen.
»Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten?«
Ein weiteres Lächeln, durchscheinend wie Kristall. »Um diese Zeit? Wäre da ein Aperitif nicht angebrachter?«
»Im Kühlschrank habe ich eine Flasche Vermentino.
«
»C’est parfait!«
, erwiderte sie zufrieden, nahm ihren Hut ab und legte ihn vor sich auf den Tisch.
Beide setzten sich in die Korbstühle, begleitet vom unterschwelligen Knurren des Hundes. Ich holte den Wein und schenkte ihn in drei Wassergläser. Weingläser waren dem Hausherrn vorbehalten.
»Dieser Köter hat einen furchtbaren Charakter. Ist das Ihrer?«, fragte Martine.
»Ich glaube, er gehört einem Jungen, den ich gestern am Strand gesehen habe. Er will unbedingt adoptiert werden.«
»Und er muss einen Riesenhunger haben, so mager wie er ist.«
»Ja, es kann sein, dass ich seine Suche nach Nahrung mit einem Betteln um Zuneigung verwechselt habe.«
»Sie werden doch nicht auch so ein Sentimentaler sein, Monsieur Pagano?«
»
Auch?
Wer ist es denn sonst noch?«
»Alle Männer sind sentimental. Selbst wenn sie so tun, als wären sie harte Kerle … im Grunde können sie dem Ruf der Sanftheit nicht widerstehen.«
Während sie das sagte, warf sie dem
attendente
ihres Gatten einen vernichtenden Blick zu. Der erwiderte ihn mit einem leeren Lächeln. Bis jetzt hatte er kein Wort von sich gegeben. Ich wusste nicht einmal, was für eine Stimme er hatte. Deshalb beschloss ich, ihn ein wenig zu provozieren.
»Und Sie, Vincenzo, wie kommen Sie so mit dem Ruf der Sanftheit klar?«
Eine blutrote Welle überflutete sein Gesicht bis zum Haaransatz. Er brabbelte etwas Unverständliches, halb der Versuch einer Rechtfertigung, halb komplizenhafte Verbrüderung. Doch da heftete die schöne Martine, offensichtlich mit der Absicht, jetzt aufs Ganze zu gehen, wieder ihre hellbraunen Augen auf mich.
»Und Sie?«
»Mit Sentimentalitäten konnte ich noch nie etwas anfangen. Ich bevorzuge nackte Frauen.«
»Was ist eine nackte Frau ohne ein bisschen Gefühl?«
»Eine Gelegenheit, die man nicht verpassen sollte.«
»Jetzt bluffen
Sie
aber, Monsieur Pagano. Haben Sie beschlossen, die Maske des amerikanischen Privatdetektivs aufzusetzen und sich auf Teufel komm raus raubeinig zu geben? Sie wollen mir doch wohl nicht weismachen, dass Sie noch nie verliebt waren und nicht bereit wären, sich wieder fallen zu lassen, wenn bloß die richtige Frau käme.«
Ihre Augen klebten förmlich an mir. Sie nagelten meinen Blick fest an der Flut aus Sommersprossen, die ihr Gesicht überzogen, und an diesen weichen Lippen, die sich jetzt zu einer harten Kurve krümmten. Außerhalb des hypnotischen Kokons allerdings knisterte die Luft vor Spannung und Unbehagen. Bei dem jungen Aufpasser genauso wie bei dem Hund. Ich spürte, wie die beiden immer unruhiger wurden und nervös hin und her rutschten. Das Tier unter Virgilios Liegestuhl, Madames Begleiter im Korbsessel, als hätte er Hummeln im Hintern.
»Ich habe mich durchaus schon mal verliebt, mehr als einmal sogar. Aber ich muss zugeben, alles in allem war das nie sehr erfreulich.«
»Dann waren es nicht die richtigen Frauen.« Sie beugte sich zu mir und tippte mir mit ihrem Zeigefinger auf die Brust. »Außerdem sind Sie bestimmt kein einfacher Mensch.«
»Nennen Sie mir doch mal einen.«
»
Moi, Monsieur Pagano
. Ich bin keine schwierige Frau.«
Erneut suchte sie die Augen des jungen Mannes, doch der schaute nur verächtlich und gekränkt zurück.Aber sie ließ nicht locker, und während sie an ihrem Wein nippte, flötete sie: »Ich habe gelernt, mich mit dem Wenigen zufriedenzugeben, was mir geboten wird. Schon seit meiner Jugend. Ohne mehr zu verlangen.«
»Ich hatte noch gar nicht bemerkt, dass Sie sich zur Geisha berufen fühlen.«
»Als ich meinen Mann geheiratet habe, war ich nicht mal dreißig. Und er war damals schon ein alter Mann.«
»Dabei war ich mir sicher, dass Sie ihn lieben. Hatten Sie mir am Strand nicht gesagt, dass Sie durch ihn quasi neugeboren wurden?«
»Ich habe Ihnen aber auch gerade gesagt, dass ich mit wenig zufrieden bin.«
Jetzt erst bemerkte ich, dass die Nasenflügel des Mannes vor Wut bebten. Es würde mich nicht wundern, wenn er gleich aufspringen und seine Begleiterin ohrfeigen würde. Oder vielleicht war es eher so, dass
ich
Lust dazu bekommen hatte. Es folgte jene bedrückende
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