Der Tod Verhandelt Nicht
im Bad zu holen, das ich großzügig über die Verletzung schüttete.
Als die beiden sich danach auf den Weg nach Hause machten, sah ich ihnen verärgert und genervt hinterher. Jetzt war es an der Französin, ihren Begleiter zu stützen, der hinkte wie ein Kriegsversehrter. Als sie die asphaltierte Straße erreicht hatten, drehte sie sich um und winkte mir zu.
»Also, wir erwarten Sie heute Abend um acht Uhr. Es ist die letzte Villa unterhalb des Nuraghen. Sie können sie nicht verfehlen.«
Als ich endlich allein war, beschloss ich, zum Strand hinunterzugehen und eine Runde zu schwimmen. Vielleicht würde das kalte Wasser helfen, diese Geschichte aus meinen Gedanken zu vertreiben. Wenigstens bis heute Abend um acht.
Der Wind
Mistral
Der Rauch war schon von der Straße aus zu sehen. Auf diesem Feuer schmorte also gerade das Spanferkel für mein Abendessen. Gancis Villa, ein zweigeschossiges Gebäude, erhob sich über dem höchsten Punkt der gepflasterten Straße, die zum Nuraghen hinaufführte. Es war ein großes weißes, typisch mediterranes Bauwerk, großzügig angelegt und einzigartig in seinem Stil. Ich holte tief Luft und sog den Duft der Erde und der Weinberge ein.
Nachmittags gegen fünf war der Mistral aufgekommen. Die Windstöße, die von dem nach Tertenia führenden Arco-di-Sarrala-Pass herunterwehten, fegten quer über Marina di Tertenia hinweg und rüttelten wie wild an den Bäumen, als wollten sie ihnen endlich das Geheimnis ihrer unerschütterlichen Jugend entlocken, Bäume, denen der Wechsel der Jahreszeiten nichts anzuhaben schien, die jedes Jahr aufs Neue in voller Blüte standen, der verstreichenden Zeit zum Trotz.
Ich hatte mich rasiert und mir das inzwischen leicht sonnenverbrannte Gesicht mit Rasierwasser eingerieben, das nach Vetiver-Rum duftete. Ich trug rote Jeans und ein kurzärmliges blaues Hemd. Um die Schultern hatte ich einen Wollpullover gelegt, meine Füße steckten in Espadrilles, und in den Händen hielt ich eineFlasche eisgekühlten Champagner. Ich war am Nachmittag mit der Vespa extra nach Tortolì gefahren, wo ich ihn zu einem schwindelerregenden Preis erstanden hatte. Es war ein Veuve Clicquot, den mir mein Freund bei der Mordkommission, Vicequestore Commissario Salvatore Pertusiello, empfohlen hatte: Ich hatte ihn kurz angerufen und um ein paar Informationen gebeten, damit ich mich in dieser vertrackten Angelegenheit besser zurechtfand. Dafür musste ich versprechen, ihm auf dem Rückweg einen Pecorino aus der Käserei in Tertenia mitzubringen. Und einen
caglio di capretto
, wenn ich einen auftreiben konnte.
Ansonsten war mein Handy den ganzen Tag über stumm geblieben, obwohl es angeschaltet war. Kein Lebenszeichen von Aglaja. Keines von Clara. Ich hatte sie zwei-, dreimal angerufen, doch nie jemanden erreicht. Es war Samstag, die beiden waren wohl mit Giovannis Segelboot aufs Meer hinausgefahren. Der neue Mann von Clara war ein netter Kerl, der sich gut um meine Exfrau und meine Tochter kümmerte. Clara war mit ihm fast gelungen, was sie gemeinsam mit mir nie geschafft hatte: ein Leben aufzubauen, in dem alles geplant und kontrolliert werden konnte. Sie musste ihn nicht einmal dazu erziehen, Unterhosen zu tragen, was ich stets abgelehnt hatte. Von Leuten, die Glück haben, sagt man, sie seien »mit dem Hemd auf dem Leib« geboren, was so viel heißt wie: Sie wurden vom Schicksal reich beschenkt. Giovanni hatte nie besonders viel Glück, aber ich dachte mir immer, dass er bestimmt in Unterhosen auf die Welt gekommen war.
Nachdem Clara und er beschlossen hatten, dass siezusammenleben wollten, waren sie an die Riviera gezogen, nach Chiavari. Sie hatten ein schönes Haus gekauft und dort eine Existenz aufzubauen versucht, die wie der dazugehörige Garten war: perfekt und nach außen hin abgeschlossen. Ein Ort, an dem sich keine Zweifel breitmachen und Unordnung und Unsicherheit wie Unkraut ausgemerzt werden konnten. Damit alles schön glattging und nichts dem Zufall überlassen blieb.
Na ja, fast nichts.
Gancis Villa war von einer etwa anderthalb Meter hohen Steinmauer umgeben, und die Sicht auf den Garten war zusätzlich noch durch hohe Lentisken versperrt, die entlang der Innenseite der Umzäunung gepflanzt waren. Vom Mistral geohrfeigt, schwankten die Sträucher wie von heftigem Schluckauf geschüttelt.
Der Eingang, der von zwei weißen Steinsäulen begrenzt war, hatte kein Tor. Ganci schien sich in seinem Haus ziemlich sicher zu fühlen.
Als ich den Garten betrat,
Weitere Kostenlose Bücher