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Der Tod wartet im Netz (Die besten Einsendungen zum Agatha-Christie-Krimipreis 2011)

Titel: Der Tod wartet im Netz (Die besten Einsendungen zum Agatha-Christie-Krimipreis 2011) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordelia Borchardt und Andreas Hoh
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eigenartige, unerklärliche Unruhe, die sie seit Emmas Tod nicht loswurde, unbegründet sein möge. Als könnte sie ihn damit vor irgendetwas schützen, packte sie die Hand ihres Sohnes ganz fest, so dass er gleich anfing zu maulen. Sie versuchte, einen kühlen Kopf zu bewahren. »Wer hat Karla abgeholt?«
    »Ihr Onkel.«
    Julia schloss die Augen. Die Klingel in ihrem Kopf wuchs sich zum Fliegeralarm aus. »Sie wissen doch genau, dass die zwei immer gemeinsam abgeholt werden, und zwar nur von mir oder Karlas Eltern!« Ihre verzweifelte Wut traf die Erzieherin mit solch geballter Wucht, dass sie zurückwich.
    »Haben Sie mit Hannes oder Petra Rücksprache gehalten?«, erkundigte sich Julia nun mit einem letzten Funken Hoffnung, doch die inzwischen leichenblasse Kindergärtnerin senkte nur den Blick. Julia überließ es ihr, Hannes anzurufen. Der wusste von nichts. Karlas einziger Onkel wohnte in England.

    Pia beobachtete den hünenhaften Mann schon seit geraumer Zeit vom Hochseilgarten aus. Seine unbeholfenen Versuche, dem kleinen Mädchen die Schuhe zu binden, ließen vermuten, dass es sich nicht um seine Tochter handelte. Auch die Kleidung des Mannes schloss aus, dass er zum Klettern hier war. Sein langer schwarzer Mantel konnte ihm hier oben schnell zum Verhängnis werden, und mit den glatten Lederschuhen konnte er nirgends Halt finden. Als er den Platz betreten hatte, war ihr aufgefallen, dass er sein linkes Bein etwas nachzog, was für die hiesigen Outdooraktivitäten auch nicht gerade ideal war, man musste schon eine gesunde Konstitution mitbringen. Als hätte er ihre Gedanken gehört, drehte der Besucher sich zu Pia um und sah ihr direkt in die Augen. Sie erschrak nicht nur, weil sie sich ertappt fühlte, sondern auch, weil in seinem Blick eine krankhaft anmutende Verzweiflung lag, die zu seiner betont männlichen Überlegenheit und Seriosität seines Äußeren gar nicht passte. Die Schnürsenkel konnten jedenfalls nicht der Grund dafür sein.

    Die ganze Nacht hatten sie zusammengesessen und gewartet. Karla war bis jetzt nicht wieder aufgetaucht. Die Anspannung steckte allen in den Gliedern. Erst Emma und jetzt …, daran wollte niemand denken. Maren, noch immer selbst von tiefer Trauer gezeichnet, hielt die von immer wiederkehrenden Weinkrämpfen geschüttelte Petra im Arm und versuchte sie zu trösten. Hannes saß auffallend weit von Tobias entfernt, als könne er auf diese Weise einem Fluch entgehen, der seinen Freund umgab. »Was ist eigentlich mit Matteo?«, erkundigte sich Tobias. Julia zuckte mit den Schultern. »Er hat auf meine SMS nicht geantwortet. Schon komisch, er ist sonst immer so zuverlässig.«
    »Mir ist auch aufgefallen, dass er in letzter Zeit etwas eigenartig geworden ist.«, bemerkte Hannes, »aber so gar nicht zu reagieren …« Seine Enttäuschung war nicht zu übersehen. In Julias Magen krampfte sich alles zusammen. Wie viele fröhliche Zusammentreffen hatten sie in diesem Wintergarten schon gehabt. Jetzt waren sie zum zweiten Mal innerhalb von knapp zwei Wochen unter tragischen Umständen zusammengekommen. Noch am Nachmittag hatte sie Max zu ihrer Mutter gebracht. Sie wusste nicht, wie das hier alles zusammenhing, doch sie wollte kein Risiko eingehen. Der Mann von Emmas Beerdigung, Kommissar Wegener hatte sie in der Tagesstätte über die Umstände der mutmaßlichen Entführung befragt. Er war gar nicht so spießig, wie er aussah, und klüger, als Julia angenommen hatte. Wiederholt hatte er sie gefragt, ob ihr etwas einfiel, warum ausgerechnet die beiden Kinder zweier befreundeter Männer ein solch furchtbares Schicksal ereilte. Das Schlimme war, dass ihr Bauchgefühl ihm recht gab. Da war etwas, aber es wollte ihr nicht einfallen.
    Das Läuten an der Haustür durchfuhr alle wie ein Blitz. Kurz darauf kam Hannes mit Wegener und dessem Kollegen herein. Eine Leiche war gefunden worden, im Bielefelder Kletterpark. Jeder konnte die Angst des anderen riechen, arme kleine Karla. Was war das für eine Welt? Als Wegener dann den Namen des Opfers mitteilte, konnte er allen die Erleichterung anmerken, und auch die Scham darüber. Pia Baumgartner, eine Mitarbeiterin des Parks, musste den Mörder gestört haben. Von Karla hatte man nur einen Schuh gefunden. Wegener hielt ihn in die Höhe. Petra heulte. »Ja, das ist Karlas, sie hatte immer noch Schwierigkeiten, die Schnürsenkel zu binden.«

    Schweißgebadet erwachte Julia aus ihrem schlimmsten Albtraum, den sie zuletzt als Kind geträumt und

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