Der Tod wartet im Netz (Die besten Einsendungen zum Agatha-Christie-Krimipreis 2011)
mich gerade auf den Weg machen, um nachzuschauen, ob sie vielleicht irgendwo gestürzt war; im Treppenhaus oder vor dem Haus. Und ich wollte die Nachbarn befragen, ob sie etwas gehört oder Elke gesehen hätten. Da bemerkte ich, dass unsere Wohnungstür nur angelehnt war. Sie ließ sich nicht mehr schließen. In dem Schloß klebte ein kleiner Metallstreifen und das Holz war unterhalb des Schlosses leicht gesplittert.
Sie fragen sich jetzt sicher, warum ich da nicht gleich zur Polizei gegangen bin?
Ich wollte es, aber genau in dem Moment klingelte das Telefon. Ich rannte also ins Arbeitszimmer und nahm den Hörer ab und lauschte einer mechanischen Stimme: »Weloveyou vermisst dich, weloveyou vermisst dich«, wiederholte sie in endloser Eintönigkeit. Ich legte auf, zündete mir eine Zigarette an, nicht bedenkend, dass Elke dieser Qualm so störte, seitdem sie das Rauchen aufgegeben hatte, und schaltete wieder meinen Computer an. Ich hatte jetzt das starke Gefühl, dass das Verschwinden Elkes etwas mit weloveyou zu tun haben musste.
Und wieder sah ich diesen grünen Punkt. Doch diesmal veränderte er sich, wenn ich mit der Maus darüberfuhr. Also klickte ich ihn an.
Der Punkt verschwand und dafür wurde ein Kamerasymbol sichtbar. Darunter stand der Text: »Please wait while lovecam is loading.«
Nach ungefähr einer Minute wurde die Seite grau und in der Mitte öffnete sich ein schwarzes Fenster. Langsam erhellte sich der Inhalt dieses Fensters. Dunkelrote Konturen wurden vor schwarzem Hintergrund sichtbar. Dann erschien der Text »get your love«, und ein Menü unter dem Fenster forderte mich auf, die Kamerabedienung zu übernehmen. Als ich die Helligkeit höher einstellte, fiel mein Blick auf einen nackten Frauenkörper. Dieser schien mit einer Art Drahtgestell an einer Wand fixiert worden zu sein. Ich stellte den Kontrast neu ein und – ich kannte diesen nackten Frauenkörper. Der Kopf der Frau war mit einem schwarzen Tuch bedeckt, aber die Narbe der Gallenblasen-Operation war deutlich zu erkennen. Es war Elke, die dort an der Wand gefesselt stand. Völlig regungslos steckte sie in diesem einzwängendem Geflecht. Ihren Kopf auf ihre Brust gesenkt, die Arme seitlich von sich gestreckt, die Füße auf einem kleinen zerbrechlich wirkenden Sockel. Als bestünde er aus einem Stapel aufgeschichteter flacher Kartons. Doch wie Elke dort hing, sah sie aus, wie ein gekreuzigter weiblicher Christus.
Ich war entsetzt, angeekelt und fasziniert zugleich. Wie ein Gaffer auf der Autobahn schaute ich auf diese Szenerie. Nur, dass es sich nicht um einen Unfall handelte und auch nicht um ein mir unbekanntes Opfer, sondern um meine Pizza essende Frau Elke.
Aber nun geschah mehr auf dem Bildschirm. Wie um meinen Schock und auch meine Faszination zu vergrößern, erschien im Vordergrund der Szene eine Hand. Eine Hand, die eine kleine blitzende Stahlklinge in sich hielt. Eine zweite Hand erschien. Eine geöffnete Hand mit fünf gespreizten Fingern. Diese verharrte einen Moment über der Klinge und schlug dann, geöffnet wie sie war, mit Kraft auf das Messer, so dass dieses sich durch das Fleisch, die Muskeln und Sehnen bohrte und daraufhin aus dem Handrücken stach. Ich schloss für einen Moment meine Augen. Als ich sie wieder öffnete, sah ich, wie eine schwarz eingehüllte Gestalt mit ihrer blutverschmierten Hand über Elkes Körper strich. Eine filigrane Blutzeichnung auf der Haut meiner Frau. Die Kamera fuhr näher heran und die schauerliche Zeichnung wurde deutlich. Und mitten in dem Gewirr der Blutspuren wurde eine Zahl erkennbar. Direkt über Elkes Bauchnabel, wo die sich wirr kreuzenden Blutspuren eine kleine Fläche frei gelassen hatten, las ich die Zahl fünf. Ich starrte auf das Bild. Es war mir, als würde es sich in meine Netzhaut einbrennen. Da schlug die messerbewaffnete Hand zu. Klar zeichnete sie sich im Vordergrund ab. So klar und deutlich, dass sie meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Sie prallte voller Wucht unter diese fünf. Ein kräftiger messerbewehrter Schlag in Elkes Unterleib, der unnatürlich starr blieb, als hätte Elke nur in einem Anspannen ihrer Muskeln die Chance gesehen, diesen Stich abzuwehren. Das Fenster wurde schwarz. Ich verkrampfte mich und erkannte erst jetzt, wie meine Hände zitterten. Mit wurde übel. Ich rannte zum Klo und übergab mich.
Dann sackte ich zusammen, hockte mich auf den Fußboden und lehnte mich an den Badewannenrand. Was hatte das alles zu bedeuten? Was sollte mir die fünf
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