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Der Tod wartet im Netz (Die besten Einsendungen zum Agatha-Christie-Krimipreis 2011)

Titel: Der Tod wartet im Netz (Die besten Einsendungen zum Agatha-Christie-Krimipreis 2011) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordelia Borchardt und Andreas Hoh
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sagen? Und vor allem: Was war mit Elke? Bestand noch Hoffnung, dass sie am Leben war?
    Und plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Konnte das sein? Kannten die Täter (ich war jetzt sicher, dass es sich bei den Tätern um weloveyou handelte) uns so gut? Niemals spielte die fünf eine große Rolle in meinem – in unserem – Leben. Doch vor zwei Monaten erst war sie der Anlass für einen heftigen Streit zwischen Elke und mir. Nicht die fünf allein. Vielmehr ging es um unser Sexualleben, oder was davon noch übrig war. Elke machte mir lauthals Vorwürfe, dass ich in dem letzten halben Jahr nur fünf Mal mit ihr geschlafen hätte. Ich nahm diese Vorwürfe nicht an und so schlug dieser Streit immer höhere Wellen, bis Elke mich anschrie, mir die fünf Finger ihrer gestreckten Hand vor die Augen hielt und immer wieder schrie: »Nur fünf Mal! Das ist weniger als einmal pro Monat! Fünf! Nur fünf!« Und so schimpfte sie immer weiter. Bestimmt so laut, dass jeder Nachbar es hören konnte. Da schlug ich zu. Und diese fünf, so jämmerlich klein sie auch sein mochte – wurde sie mir jetzt vorgehalten? Machte diese kümmerlich kleine Fünf, die jetzt erbarmungslos groß vor meinen Augen stand, Elke zum Opfer von Gewalttätern? Ich fühlte mich schuldig und hundeelend. Ich musste etwas tun. Als sei es die letzte Möglichkeit für mich, etwas wiedergutzumachen.
    Und wie ich so langsam wieder zu mir kam, mir den Schrecken abschüttelte, führte ich mir noch einmal das Bild vor Augen. Irgendetwas war da, was ich übersehen hatte. Fast eine Nebensächlichkeit. Noch einmal sah ich meine Frau nackt in diesem Drahtgestell. Sah ihre gestreckten Arme, das gesenkte Haupt, das Blut, den Sockel …
    Der Sockel! Sah er nicht aus wie aufgeschichtete Pizzakartons? Ich hätte mir ein Bildschirmfoto machen müssen. Aber auch so kam es mir nun vor, als wären sie alle an der Vorderseite beschriftet gewesen. Eine geschwungene Schrift, wie auf den Pizzaverpackungen, von denen bestimmt noch eine im Altpapier liegen musste.
    Ich stolperte in die Küche, öffnete den Wandschrank und richtig: Dort lag oben auf dem ganzen Stapel aus Zeitungen, Werbeblättern und Käseblättern, wie wir immer die kostenlosen Wochenzeitungen nannten, auch eine dieser Schachteln, die in meiner Erinnerung denen, die den Sockel bildeten, glichen wie ein Ei dem anderen.
    Der Pizzabote hatte meine Frau in seiner Gewalt! Er hatte unseren Streit belauscht und berauschte sich nun darin, Elke zu quälen und mich zu demütigen. Dieses Schwein! Dieser Verrückte, der es zu nichts weiterem gebracht hatte als zu einem Pizzaboten!
    Ich war so wütend, dass ich keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Ich griff in die Küchenschublade, zog eines der Fleischermesser heraus und stürzte die Treppe hinunter. Ich rannte über die Straße, ohne auf den Verkehr zu achten, und drückte in dem Eingang des gegenüberliegenden Hauses auf alle Klingeln gleichzeitig. Als der Summer ertönte, drückte ich die Tür auf und rannte, so schnell ich konnte, die Treppen zur dritten Etage hoch, das Messer in der Hand. Ich klingelte nicht. Ich klopfte nicht. In meiner Wut schaffte ich es, die Tür mit einem Anlauf einzurennen. Erst später bemerkte ich den stechenden Schmerz in meiner Schulter.
    Und da stand es, dieses Schwein. Glotzte mich mit großen überraschten Augen an. Zu blöd, den Mund zu schließen, war dieser Kerl doch so geistesgegenwärtig, nach einem altmodischen Kohlehaken zu greifen, mit dem er mich bestimmt angegriffen hätte, wäre ihm mein Messer nicht zuvor in den Hals gedrungen. Ich achtete nicht auf das Röcheln neben mir; achtete nicht auf das Spritzen des Blutes, auf das verkrampfte Zucken dieses Schweines, sondern stürmte weiter in die Wohnung. Irgendwo musste Elke ja sein. Ich hoffte so sehr, sie am Leben zu finden. Doch sie war nirgendwo. Ich sah den Stapel aus Pizzaschachteln an der Wand des Flures aufgestapelt, sah das Drahtgestell, das sich nun als billige Garderobe herausstellte, aber Elke sah ich nicht. Was ich jedoch sah, war diese kleine Webcam, die an dem Schuhschrank angebracht war. Eine Kontrollbirne leuchtete grün.

    Was ich dann tat, mag Ihnen unmenschlich und brutal vorkommen, Herr Kommissar. Ich dachte mir, dort, am anderen Ende der Aufnahme, säße ein anderes Schwein und beobachtete mich. Deswegen zog ich den noch röchelnden Pizzaboten an seinen langen Haaren vor die Kamera und hielt seine blutspritzende Halswunde ins Bild. Sollten die doch

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