Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Tod wartet im Netz (Die besten Einsendungen zum Agatha-Christie-Krimipreis 2011)

Titel: Der Tod wartet im Netz (Die besten Einsendungen zum Agatha-Christie-Krimipreis 2011) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordelia Borchardt und Andreas Hoh
Vom Netzwerk:
Mochte sie ruhig scherzen, im Garten, hinter dem Busch, mit einem Mann, dem er vertraute.

    »Es war einfacher, als ich dachte«, hörte er den Kollegen raunen, »aber irgendwie rührend. Er hat tatsächlich geglaubt, sein Vermächtnis zu unterschreiben.«
    »Rührend?«, gab Irene schnippisch zurück, »der ist doch komplett durchgeknallt. Der hält sich für das geborene Internet – mindestens.«
    In ihre Stimmen mischte sich ein Geräusch, als stieße ein Spaten in lockeres Erdreich und stoße auf Kieselsteine. Dann vernahm M. wieder die Männerstimme.
    »Pass auf dich auf. Er hat so was Listiges.«
    »Wenn schon – das Testament ist uns sicher.«
    »Und wenn er misstrauisch wird?«
    »Lass mich nur machen.«

    M. atmete schwer. Ihm war, als falle er in ein schwarzes Loch, in das ihre Worte wie Säure tropften. Das Universum in seinem Kopf ballte sich zu einer harten, zornigen Kugel, zu schwerer Masse, einer Zell-Masse mit tödlicher Schaltung. Der Moment war gekommen, sie musste nur nah genug an ihn heran –
    »Erasmus – bist du wach?«
    Es waren die letzten Worte, die er vernahm, bevor sich ein schweres, stinkendes Kissen auf sein Gesicht senkte und seinen Atem erstickte.

Wolff Rump Der Tod ist nicht genug
    Er
ist meine Religion. Meine Kunst.
Er
vergeht im Moment seiner Schöpfung.
Er
ist nicht greifbar.
Der Tod
.

    Es ist drei Uhr morgens und ich sehe mir ›Lost in Translation‹ auf einem japanischen Satellitenkanal an. Ich muss über die Ironie schmunzeln. Ich schlafe keine Nacht länger als drei, vier Stunden und selten im gleichen Bett. Ich kann in acht Sprachen akzentfrei lügen, ich habe eine Frau, eine Tochter und einen Job, den meine Frau ihrer Familie verschweigt, weil sie ihn für unmoralisch hält. Ich bin Unternehmensberater und liquidiere Firmen. Weltweit. Aber nicht nur.
    Mein iPhone vibriert auf dem Nachttisch. Ich schalte den Fernseher aus und stelle mich mit dem Handy ans Fenster meines Hotelzimmers.
    »Konnichiwa.« Ich befinde mich noch im Japanmodus, auch wenn die Dampfschwaden vor dem Fenster eher nach Hades aussehen.
    »Alan.«
    Wenn er nicht frei sprechen könnte, zum Beispiel, weil ein FBI -Beamter ihm seine Glock an den Kopf hält, würde daraus Alan Smithee. Das in den USA übliche Synonym, das Regisseure verwenden, wenn sie mit ihrem Film nicht in Zusammenhang gebracht werden wollen. Ich weiß nicht, ob Alan ein Mann oder eine Frau ist oder aus welchem Land er anruft. Wir telefonieren über den Internet-Telefondienstleister Skype und sind beide mit einer amerikanischen Vorwahl zu erreichen, auch wenn wir in Island beim Telefonieren aus dem Hotelfenster sehen. So wie ich gerade. Die Kunststoffschale, in der unsere iPhones stecken, enthält eine Box, die die Stimmen elektronisch moduliert. Zwei Computerstimmen sprechen miteinander. Geschlechtsneutral.
    »Ich hoffe, ich habe Dich nicht geweckt?«, fragt Alan leichthin und bedauert seine Indiskretion sofort. Weiß er doch mehr, als für ihn gesund ist? Schon die Andeutung der Erdhalbkugel, auf der sich der Gesprächspartner aufhält, ist in unserer Branche ein ›No GO ‹. Ich verfahre bei meiner Risikoanalyse ähnlich wie die Schufa. Alan ist gerade zehn Punkte in seinem Scoring nach unten gerutscht. Immer noch im grünen Bereich. Sonst wäre er bald Geschichte. Diskretion ist Alans Lebensversicherung. Seine Verbindungen sind sein Kapital. Alan ist mein Agent. Ein Makler. Was er makelt? Den Tod. Ein einfaches Produkt. Nicht erklärungsbedürftig. Was das Produkt teuer macht, ist das Risiko. Je mehr Risiko, desto weniger Anbieter, desto höher der Preis. Einfache Betriebswirtschaft. Ein Menschenleben in Ruanda kostet fünfzig Dollar, etwa so viel wie eine rostige Kalaschnikow. Ein Hit auf einen westlichen Staatschef kostet eine Million Mal soviel. Das gleiche Produkt, aber nur eine Handvoll Anbieter weltweit. Alan verbindet die Nachfrage nach Tod mit dem Angebot an Tod und sorgt dafür, dass seine Kunden den Service bekommen, den sie benötigen, ohne dass sie wissen,
wer
diesen Service bereitstellt. Auch das
Wann
ist eine Information, die in der Regel nur in Bandbreiten gehandelt wird.
Bis wann
und nicht
wann
. Beim
Wo
hat man bei hochgesicherten Zielobjekten nicht immer die freie Auswahl. Leider. Alan reduziert mein Risiko und macht meine Dienste für die Kunden bezahlbar. Dafür erhält er zwanzig Prozent der Auftragsumme als Kommission.
    »Sorry, ich wollte nicht …«, murmelt Alan entschuldigend.
    »Komm zur Sache.« Ich

Weitere Kostenlose Bücher