Der Tod wartet im Netz (Die besten Einsendungen zum Agatha-Christie-Krimipreis 2011)
tote Hose. Doch in den letzten beiden Tagen sind ganze Rudel von Sicherheitsleuten eingetroffen. Aber von den beiden Hauptdarstellern weiterhin keine Spur.
Morgen werden sie durch ein anderes Team abgelöst. Abschiedsfeier mit den Kollegen. Pension. Endlose Angelurlaube. Ein markerschütternder Schrei reißt Frank aus seinen Träumen.
»Ahhhhhhhhhh!« Dann ein Gurgeln. Ein letztes Stöhnen. Der leblose Körper stürzt zu Boden.
»Bist Du wahnsinnig? Ein Herzinfarkt hat mir noch gefehlt!«, schimpft Frank. Maggie übt für ihre erste Rolle. Ambitioniert und praktisch ohne Unterbrechung. Sie spielt die dritte Leiche in einem Horrorstreifen. Mehr als das ›Ahhhhhhh!‹ hat ihr der Drehbuchautor nicht zugestanden, aber das hat es in sich.
Frank stülpt sich die Kopfhörer des Richtmikrophons über und sieht wieder durch das Fernrohr. Zwei schwarze Stretchlimos fahren vor. Ein Schwarm Bodyguards umgibt die Insassen, wie eine Bienenkönigin. Wenige Minuten später tapst ein Bud-Spencer-Typ zusammen mit einem Wicht in Richtung Pool.
»Maggie! Es geht los! Scheiße, konnten die nicht bis morgen warten. Maggie, verdammt!« Frank traut sich nicht aufzusehen.
Die beiden Mafiosi lassen sich ins Wasser plumpsen. Sichtlich froh, der Hitze zu entkommen. Frank erkennt nur noch die Köpfe. Die beiden plantschen wie Kinder und dazu brüllt Maggie oscarreif. Frank dreht am Feinregler des Richtmikrophons.
»Maggie halt endlich die Klappe! Ich kann nichts verstehen!« Frank fährt wütend auf. Maggie ist weg. Pinkelpause. Er erstarrt. Das Geschrei muss von der Villa kommen. Die beiden Mafiosi treiben jetzt leblos im Wasser. Zwei der Bodyguards springen in den Pool, um ihnen zu Hilfe zu kommen. Auch sie stoßen nach wenigen Sekunden markerschütternde Schreie aus im Kampf mit einem unsichtbaren Gegner. Sie rudern wie wild mit den Armen, während ein Dutzend schwerbewaffnete Bodyguards am Rande des Pools steht. Fassungslos. Frank kann nicht mehr hinsehen, will nicht mehr hinhören. Er setzt die Kopfhörer ab und sackt in seinem Stuhl zusammen.
Zur gleichen Zeit
Ich bin in Hongkong, um einen insolventen Waffenproduzenten zu liquidieren. Das Unternehmen. Nicht den Mann. Es ist ein Entgegenkommen an meine Frau, eine Friedensaktivistin. Sie würde am liebsten den ganzen Planeten entwaffnen. Auf der nächsten Demo kann sie jetzt mit ihrem Mann prahlen, der als furchtloser Streiter gegen die Waffenlobby um den Erdball zieht. Ein kleiner Schritt für mich – ein großer Schritt für den Familienfrieden.
CNN bringt einen aktuellen Bericht aus Los Angeles. Ein Reporter wird eingeblendet. Im Hintergrund ein angefressen aussehender FBI -Mann. Ich stelle den Ton lauter.
»Heute Abend wurden zwei führende Köpfe der Unterwelt von Los Angeles und zwei ihrer Leibwächter Opfer eines grausamen Mordanschlages.« Es werden Bilder der Schwimmsportfreunde vor und nach dem tödlichen Badevergnügen eingeblendet. Ihre Haut ist von roten Striemen und Schwellungen überzogen, als wären sie über Stunden mit einem Bunsenbrenner gefoltert worden. Die Körper sehen aus wie abstrakte Kunstwerke aus dem Atelier eines grausamen Meisters.
Der Sprecher räuspert sich, mühsam um Fassung bemüht. »Das LAPD teilt in einer ersten Verlautbarung mit, dass die Mafiosi aus unbekannten Gründen gemeinsam in den Pool des Hauses hier hinter uns gestiegen sind. Das aus Umweltschutzgründen mit Salzwasser gefüllte Becken enthielt mehrere hundert Exemplare sogenannter Seewespen,
Chironex fleckeri
, was übersetzt
mordende Hand
bedeutet. Die nur daumengroßen und fast durchsichtigen Quallen verfügen über mehrere Meter lange Tentakel, die bei Berührung ein extrem wirksames Nervengift in ihre Opfer entladen. Innerhalb weniger Minuten kommt es zu einer Lähmung der Herzmuskulatur und der Atmung. Seewespen gelten als die giftigsten Tiere des Planeten. Die Schwimmer haben den Tod in einem Netz aus tausenden Tentakeln gefunden. Wie die vor Australien vorkommenden Quallen in einen Pool in Beverly Hills gelangt sind, stellt die Ermittlungsbehörden vor ein Rätsel.«
Ich habe genug gesehen und schalte den Fernseher aus. Ich habe einen empfindlichen Magen.
Felix S. Schönberg Haze
Roskilde, Sjaelland, Dänemark. Dreiundzwanzigster August 2012
Sven Jorgensen schüttelte sich. Der dänische Spätsommer übergoss Roskilde seit Tagen mit anhaltendem Nieselregen. Es war fast Mittag, doch der Marktplatz, im Schatten der eingerüsteten Kirche, lag ungewohnt still. Eine
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