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Der Tod wartet

Der Tod wartet

Titel: Der Tod wartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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– und sie schwört auf der Stelle und mit feierlichem Ernst, dass sie nichts mit diesem Verbrechen zu tun hat! Ja, so drückt sie sich aus. Sie schwört nicht, dass sie und ihr Bruder unschuldig sind. Sie schwört nur für sich selbst – und denkt, dass ich dem Pronomen keine besondere Beachtung schenken werde.
    Eh bien, das sind die Gründe, die für die Unschuld von Carol Boynton sprechen. Und nun gehen wir etwas zurück und befassen uns nicht mit der Unschuld, sondern mit der möglichen Täterschaft von Raymond. Nehmen wir einmal an, dass Carol die Wahrheit sagt, dass Mrs Boynton um zehn Minuten nach fünf tatsächlich noch lebte. Unter welchen Umständen kann Raymond dann der Täter sein? Wir können unterstellen, dass er seine Mutter zehn Minuten vor sechs tötete, als er hinaufging, um mit ihr zu sprechen. Gewiss, es waren Boys im Camp unterwegs, aber es dämmerte bereits. Es wäre also möglich gewesen. Aber das würde bedeuten, dass Miss King gelogen hat. Vergessen Sie nicht, dass sie nur fünf Minuten nach Raymond ins Camp zurückkehrte. Sie sieht von weitem, wie er zu seiner Mutter geht. Als diese später tot aufgefunden wird, begreift Miss King, dass Raymond sie getötet hat, und um ihn zu retten, lügt sie – wohl wissend, dass Dr. Gérard mit Fieber zu Bett liegt und sie nicht der Lüge überführen kann!»
    «Ich habe nicht gelogen!», sagte Sarah bestimmt.
    «Es gibt noch eine andere Möglichkeit. Wie gesagt, Miss King erreichte das Camp einige Minuten nach Raymond. Falls Raymond Boynton seine Mutter tatsächlich lebend antraf, dann könnte Miss King die tödliche Injektion verabreicht haben. Sie war überzeugt, dass Mrs Boynton ein durch und durch böser Mensch war. Sie könnte sich als die Vollstreckerin einer gerechten Strafe betrachtet haben. Das würde auch erklären, warum sie bezüglich der Todeszeit gelogen hat.»
    Sarah war sehr blass geworden. Mit leiser, ruhiger Stimme sagte sie:
    «Es ist wahr, ich habe davon gesprochen, dass die Umstände es erfordern können, dass einer stirbt, um viele zu retten. Die Opferstätte hatte mich auf diesen Gedanken gebracht. Aber ich kann beschwören, dass ich dieser widerwärtigen alten Frau nie etwas zuleide getan habe – dass mir ein solcher Gedanke nie und nimmer in den Sinn gekommen wäre!»
    «Und doch steht fest», sagte Poirot sanft, «dass einer von Ihnen beiden lügt. »
    Raymond Boynton rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Dann rief er ungestüm aus:
    «Sie haben gewonnen, Monsieur Poirot! Der Lügner bin ich! Mutter war bereits tot, als ich zu ihr hinaufging. Ich war – wie vor den Kopf geschlagen. Ich wollte klare Verhältnisse schaffen, verstehen Sie? Ihr sagen, dass ich von jetzt an mein eigener Herr bin. Ich war wirklich fest entschlossen, wissen Sie. Und dann war sie – tot! Ihre Hand war so kalt und schlaff. Und ich dachte – genau das, was Sie sagten. Ich dachte, dass vielleicht Carol… Sie hatte doch diesen Einstich am Handgelenk – »
    Poirot unterbrach ihn: «Das ist der einzige Punkt, über den ich nicht vollständig informiert bin. Was war die Methode, die Sie anzuwenden gedachten? Sie hatten doch einen Plan – und dieser hatte etwas mit einer Spritze zu tun. So viel weiß ich. Wenn ich Ihnen glauben soll, müssen Sie mir jetzt auch den Rest erzählen.»
    Raymond sagte hastig: «Ich hatte es in einem Buch gelesen – einem englischen Kriminalroman. Man nimmt eine Spritze, die mit Luft gefüllt ist, und sticht damit zu, das ist alles. Es klang sehr wissenschaftlich. Ich – ich dachte, dass wir es so machen würden.»
    «Ah», sagte Poirot. «Ich verstehe. Und Sie kauften eine Spritze?»
    «Nein. Genau gesagt habe ich mir die von Nadine besorgt.»
    Poirot warf einen raschen Blick auf die junge Frau. «Die Spritze, die sich in Ihrem Gepäck in Jerusalem befindet?», erkundigte er sich.
    Nadine Boyntons Wangen röteten sich.
    «Ich – ich wusste nicht genau, wo sie abgeblieben war», murmelte sie.
    «Sie sind sehr schlagfertig, Madame», sagte Poirot leise.

Sechzehntes Kapitel
     
    E s entstand eine Pause. Dann räusperte sich Poirot, was leicht affektiert klang, und fuhr fort: «Damit haben wir das Rätsel der zweiten Spritze gelöst. Diese gehörte Mrs Lennox Boynton, wurde vor der Abreise aus Jerusalem von Raymond Boynton an sich gebracht, wurde nach der Entdeckung der Leiche von Mrs Boynton von Carol an sich genommen, wurde von ihr weggeworfen, von Miss Pierce gefunden und von Miss King als die ihre erklärt.

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