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Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007

Titel: Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Wright
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Verbindung, worauf eine Gruppe von Spezialisten der Spionageabwehr aus Fort Meade in Maryland nach San José fuhr, um mit Mohammed zu reden. Sie breiteten auf dem Boden von Zents Büro Karten von Afghanistan aus, und Mohammed zeigte, wo die Ausbildungslager der Mudschahidin lagen. Er erwähnte den Namen Osama Bin Laden, der, so behauptete Mohammed, eine Armee aufzustellen beabsichtige, um das Regime in Saudi-Arabien zu stürzen. 28 Ferner sprach Ali Mohammed von einer Organisation namens al-Qaida, die im Sudan Ausbildungslager unterhielt. Er räumte sogar ein, dass er deren Mitglieder in Flugzeugentführungen und Spionage unterwiesen habe. Die Beamten konnten mit diesen Enthüllungen aber offenbar nichts anfangen. Es dauerte noch drei entscheidende Jahre, bis auch andere Mitarbeiter der amerikanischen Geheimdienste von al-Qaida erfuhren.
    Vielleicht enthüllte Mohammed diese Fakten, um seine Wichtigkeit zu unterstreichen. „Er hielt sich für eine Art James Bond“, bemerkte ein FBI-Agent, der später mit ihm sprach. 29 Wahrscheinlicher ist allerdings, dass es diesem hoch motivierten Aktivisten darum ging, Sawahiris Befehl zu befolgen und den amerikanischen Geheimdienst zu unterwandern. Al-Dschihad und al-Qaida waren im Frühjahr 1993 noch eigenständige Organisationen, und Sawahiri hatte sich noch nicht Bin Ladens Feldzug gegen Amerika angeschlossen. Offensichtlich war Sawahiri bereit, Bin Laden ans Messer zu liefern, wenn er dadurch Zugang zu amerikanischen Geheimdienstkreisen erhielt und seiner eigenen Organisation nützen konnte.
    Wären das FBI und die Spionageabwehr des Verteidigungsministeriums auf Mohammeds Avancen eingegangen, hätten sie sich einen brandgefährlichen und bestens ausgebildeten Doppelagenten eingehandelt. Mohammed gab sich als Mitglied von Bin Ladens innerem Zirkel zu erkennen, doch das verstanden die Ermittler damals noch nicht richtig zu würdigen. Zent verfasste einen Bericht, der ans FBI-Hauptquartier ging und dort bald in Vergessenheit geriet. Als die Bundespolizei später die Aufzeichnungen über das Gespräch mit den Spionageabwehrspezialisten aus Fort Meade anforderte, um sich zu informieren, worüber dabei noch gesprochen worden war, musste das Verteidigungsministerium einräumen, dass sie verloren gegangen seien. 30
     
    DIE GRUPPE al-Dschihad war stets in Geldnöten. Viele Anhänger Sawahiris hatten Familien, die Essen und Unterkunft benötigten. Einige beschafften sich durch Diebstähle und Überfälle ihren Lebensunterhalt. Sawahiri missbilligte dies aufs Schärfste; als Mitglieder von al-Dschihad im Jemen einen deutschen Militärattaché ausraubten, ließ er den Vorfall untersuchen, und die Verantwortlichen wurden aus der Organisation ausgeschlossen. 31 Doch das Geldproblem blieb ungelöst. Er hoffte, in Amerika genügend Finanzmittel aufzutreiben, um seine Organisation am Leben halten zu können.
    Sawahiri fehlten sowohl das Charisma als auch der Charme des blinden Scheichs, und als er nach dem Abendgebet in der Nur-Moschee in Santa Clara auftrat und sich als „Dr. Abdul Muis“vorstellte, wusste kaum jemand, wer er eigentlich war. Ali Mohammed machte ihn mit Dr. Ali Saki bekannt, einem Gynäkologen in San José, und bat diesen, sie auf einer Rundreise von Dr. Muis durch das Silicon Valley zu begleiten. Saki führte Sawahiri zu Moscheen in Sacramento und Stockton. Die beiden Ärzte verbrachten viel Zeit mit Diskussionen über medizinische Probleme, mit denen es Sawahiri in Afghanistan zu tun gehabt hatte. „Wir sprachen über die verletzten Kinder und die Bauern, denen durch russische Minen Gliedmaßen abgerissen worden waren“, erinnerte sich Sawahiri. „Er war ein ausgeglichener, sehr fachkundiger Arzt.“
    Einmal hatten die beiden Männer eine Meinungsverschiedenheit über Sawahiris Islamauslegung, die Saki als zu engstirnig kritisierte. Wie die meisten Dschihadisten hing Sawahiri den salafistischen Lehren von Ibn Taimijah an, der im 13. Jahrhundert eine wörtliche Auslegung des Korans durchzusetzen versucht hatte. Saki warf Sawahiri vor, er würde die beiden anderen Strömungen des Islams ausschließen: die mystische Richtung, die durch die Schriften von al-Harith al-Muhasibi begründet wurde, des geistigen Vaters des Sufismus; und die rationalistische Schule, die in den Lehren von Mohammed Abdu zum Ausdruck kam, des berühmten Scheichs der Azhar-Universität. „Ihre Version des Islams wird sich im Westen nie durchsetzen, denn der größte Vorzug des Westens ist die

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