Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
Wahlfreiheit“, erklärte Saki. „Dort breitet sich die mystische Strömung in Windeseile aus, aber die Salafisten haben noch keinen einzigen Menschen zum Islam bekehrt!“Sawahiri zeigte sich unbeeindruckt.
Nach Sakis Schätzung beliefen sich die Spenden, die bei diesen Auftritten in Kalifornien gesammelt wurden, höchstens auf einige 100 Dollar. Ali Mohammed sprach von etwa 2000 Dollar. Sawahiri kehrte ernüchtert in den Sudan zurück und stand nun vor einer schwierigen Entscheidung: Sollte er die Unabhängigkeit seiner finanziell angeschlagenen Organisation aufrechterhalten oder sich formell mit Bin Laden zusammenschließen?
Als sich die beiden vor fast einem Jahrzehnt kennen gelernt hatten, war Sawahiri die weitaus einflussreichere Figur gewesen; er hatte eine Organisation hinter sich und ein klares Ziel: die ägyptische Regierung zu stürzen. Jetzt aber verfügte Bin Laden, der in finanzieller Hinsicht stets im Vorteil gewesen war, über eine eigene Organisation, die wesentlich ehrgeizigere Ziele verfolgte als al-Dschihad. So wie er unter einem einheitlichen Firmendach unterschiedliche Unternehmen betrieb, wollte Bin Laden auch alle islamistischen Gruppen in einer multinationalen Vereinigung zusammenführen, die ihren Größenvorteil nutzte, eine gemeinsame militärische Ausbildung organisierte und sich in verschiedene Abteilungen gliederte, vom Personalwesen bis zur politischen Planung. Der Schützling hatte seinen Mentor überflügelt, und das war beiden Männern auch klar.
Sawahiri musste zudem damit rechnen, dass er bald auch gegenüber dem blinden Scheich und seiner Islamischen Vereinigung ins Hintertreffen geraten würde. Obwohl Sawahiri eine schlagkräftige und hoch motivierte Kadertruppe aufgestellt hatte mit vielen gut ausgebildeten, gestählten Kämpfern wie Ali Mohammed, die sich genauso gewandt in den Vororten des Silicon Valley wie in den staubigen Straßen Khartoums bewegen konnten, hatte die Dschihad-Gruppe bislang keine einzige erfolgreiche Operation durchgeführt. Die Anhänger des blinden Scheichs hatten unterdessen durch eine beispiellose Serie von Morden und Plünderungen von sich reden gemacht. Um die Regierung zu schwächen und die Volksmassen zum Aufstand anzustacheln, griffen sie das Land dort an, wo es sich ihrer Ansicht nach gegenüber den verderblichen Einflüssen aus dem Westen am meisten öffnete, im Bereich des Tourismus, der gleichzeitig das Rückgrat der ägyptischen Wirtschaft war. Die Islamische Vereinigung begann einen Krieg gegen die ägyptischen Sicherheitskräfte und kündigte an, jeden Tag einen Polizisten zu töten. Auch Ausländer, Christen und insbesondere Intellektuelle wurden ins Visier genommen; es begann mit der Ermordung von Farag Foda, eines Zeitungskolumnisten, der in seinem letzten Artikel geschrieben hatte, die Islamisten würden weniger durch politische Ambitionen als durch sexuelle Frustration getrieben werden. Der blinde Scheich verkündete zudem eine Fatwa gegen den Literatur-Nobelpreisträger Nagib Mahfus und bezeichnete ihn als Ungläubigen. 1994 wurde auf Mahfus ein Messerattentat verübt, bei dem er schwer verletzt wurde. 32 Dieser Angriff beinhaltete eine traurige Ironie: Sajid Qutb hatte Mahfus ursprünglich entdeckt, und später, als Mahfus berühmt war, hatte er sich gegenüber Qutb erkenntlich gezeigt, indem er ihn im Gefängnis besuchte. Jetzt wüteten die geistigen Nachkommen Qutbs gegen jenen intellektuellen Zirkel, den Qutb selbst, in gewisser Hinsicht jedenfalls, mitbegründet hatte.
Sawahiri hielt solche Aktionen für sinnlos und selbstzerstörerisch. Seiner Ansicht nach provozierten sie nur den Sicherheitsapparat und verminderten die Chancen, einen blitzartigen, fundamentalen Umsturz mittels eines Militärputsches durchzuführen, was sein Lebensziel war. Durch das unerbittliche Vorgehen der Regierung gegen Islamisten im Gefolge dieses Anschlags wären beide Organisationen in Ägypten beinahe ausgelöscht worden.
Sawahiri hatte die einzelnen Zellen der Dschihad-Gruppe gegeneinander abgeschottet, sodass keine Zelle Bescheid wusste über die Mitglieder und die Aktivitäten der anderen; dennoch gelang es den ägyptischen Behörden, zufällig jenen Mann dingfest zu machen, der alle Namen kannte: den Personalchef der Organisation. Auf seinem Computer waren sämtliche Mitglieder mit ihren Adressen, Tarnnamen und möglichen Verstecken gespeichert. Gestützt auf diese Informationen, verhafteten die Behörden Hunderte von Verdächtigen und
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