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Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007

Titel: Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Wright
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stellten sie wegen Aufruhrs unter Anklage. Die Presse nannte die Gruppe „Vorhut der Eroberung“ 33 , in Wirklichkeit aber handelte es sich um eine Splittergruppe von al-Dschihad. Zwar gab es nur spärliche Beweise gegen sie, doch die rechtlichen Anforderungen für eine Verurteilung waren auch nicht sonderlich hoch. 34
    „Die Regierungsblätter jubelten über die Festnahme von 800 Mitgliedern der Dschihad-Gruppe, ohne dass ein einziger Schuss abgefeuert wurde“, berichtete Sawahiri verbittert in seinen Memoiren. Von der Organisation, die er mühsam aufgebaut hatte, blieben nur noch einige versprengte Zellen im Ausland - unter anderem in England, Amerika, Dänemark, im Jemen und in Albanien. Ihm war klar, dass er etwas unternehmen musste, um die Reste seiner Organisation zusammenzuhalten. Dazu brauchte er allerdings Geld.
    Trotz der Finanznöte von al-Dschihad misstrauten viele seiner verbliebenen Mitglieder Bin Laden und zeigten nur wenig Neigung, außerhalb Ägyptens tätig zu werden. Zudem waren sie wütend über die Verhaftung ihrer Kameraden in Kairo und die nachfolgenden Schauprozesse. Sie brannten darauf zurückzuschlagen. Doch zu diesem Zeitpunkt standen die meisten Mitglieder der Dschihad-Gruppe bereits auf der Gehaltsliste von al-Qaida. Sawahiri betrachtete die Allianz als eine vorübergehende Zweckehe. Später räumte er gegenüber einem seiner wichtigsten Helfer ein, der Zusammenschluss mit Bin Laden sei „die einzige Möglichkeit gewesen, die Dschihad-Organisation im Ausland am Leben zu erhalten“. 35
     
    SAWAHIRI HATTE seinen Traum noch nicht aufgegeben, in Ägypten die Macht zu übernehmen. Der Sudan war ein idealer Ort, um Angriffe auf das ägyptische Regime vorzubereiten und durchzuführen. Die lange, unwegsame und weitgehend unbewachte Grenze zwischen den beiden Ländern erleichterte geheime Unternehmungen; auf alten Karawanenwegen konnte man auf dem Rücken von Kamelen bequem Waffen und Sprengstoffe nach Ägypten schmuggeln 36 ; und dank der Unterstützung des sudanesischen Geheimdienstes und des Militärs konnten sich Sawahiri und seine Männer hier einen sicheren Rückzugsraum schaffen.
    Al-Dschihad nahm seinen Kampf gegen Ägypten mit einem weiteren Mordanschlag auf Innenminister Hassan al-Alfi wieder auf, der die Razzia gegen die Islamisten angeordnet hatte. Im August 1993 explodierte ein mit einer Bombe präpariertes Motorrad neben dem Wagen des Ministers, wobei der Bombenleger und sein Komplize ums Leben kamen. „Der Minister entging dem Tod, er brach sich nur einen Arm“, notierte Sawahiri enttäuscht. 37
    Das war ein abermaliger Fehlschlag, dem jedoch große Bedeutung zukam, weil Sawahiri bei dieser Aktion erstmals Selbstmordattentäter einsetzte, was das Merkmal der Anschläge von al-Dschihad und al-Qaida werden sollte. Mit dieser Strategie wurde ein wichtiges religiöses Tabu durchbrochen. Zwar hatte die schiitische Hisbollah bereits 1983 beim Angriff auf die amerikanische Botschaft und eine Kaserne der US-Marinesoldaten in Beirut von Selbstmordattentätern gesteuerte Lastwagen eingesetzt, bislang aber hatte keine sunnitische Gruppe derartige Aktionen unternommen. In Palästina waren Selbstmordanschläge bis Mitte der neunziger Jahre, bis zum Abschluss der Verträge von Oslo, praktisch unbekannt. Am 6. April 1994 sprengte der erste palästinensische Selbstmordattentäter im israelischen Afula einen Bus in die Luft.
    Sawahiri war in den Iran gereist, um Geld zu sammeln 38 , und hatte Ali Mohammed und andere in den Libanon zur Ausbildung bei der Hisbollah geschickt, sodass die Anregung zu Selbstmordanschlägen vermutlich aus dieser Richtung kam. Eine weitere Neuerung Sawahiris bestand darin, dass er die Gelübde der Selbstmordattentäter, mit denen diese ihre Bereitschaft zum Märtyrertod verkündeten, am Vorabend der Aktion auf Video aufnahm. Sawahiri verteilte Kassetten mit den Stimmen der Attentäter, auf denen diese ihre Entscheidung begründeten, ihr Leben zu opfern. 39
    Im November 1993, während der noch laufenden Prozesse gegen die Mitglieder von al-Dschihad, versuchte Sawahiri den ägyptischen Ministerpräsidenten Atef Sidki zu töten. Als der Minister an einer Mädchenschule in Kairo vorüberfuhr, explodierte eine Autobombe. Der Minister blieb in seinem gepanzerten Wagen unverletzt, aber durch die Explosion wurden 22 Menschen verletzt, und eine junge Schülerin namens Schajma Abdel-Halim wurde von einer Tür erschlagen, die infolge der Detonation durch die Luft

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