Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
umzog.
Der General wollte 1,5 Millionen Dollar für das Uran zuzüglich einer Provision. 15 Er legte einen Zylinder auf den Tisch, der ungefähr 75 Zentimeter lang war und 15 Zentimeter Durchmesser hatte, sowie einige Dokumente, aus denen hervorging, dass der Behälter aus Südafrika stammte. Bin Laden war zufrieden über diese Informationen und zahlte Fadl 10 000 Dollar für seine Vermittlungstätigkeit. Wie sich später herausstellte, war der Behälter mit Zinnober, rotem Quecksilbersulfid, gefüllt, einer Substanz, die Uranoxid äußerlich ähnlich sieht, chemisch aber völlig unterschiedlich ist. 16 Dieser Stoff wird seit mehr als 25 Jahren immer wieder bei Nuklearbetrügereien verwendet. Trotz dieser kostspieligen Lektion suchte Bin Laden weiter nach angereichertem Uran oder russischen Atomsprengköpfen, die angeblich in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion erhältlich waren. 17
Zu diesem Zeitpunkt, Anfang der neunziger Jahre, feilte Bin Laden noch am Konzept von al-Qaida. Die Organisation war nur eines seiner zahlreichen Unternehmen, aber sie bot ihm eine potenziell außergewöhnliche Machtbasis. Seine Aktionen, wie zum Beispiel sein Vorstoß nach Somalia, waren bislang eher begrenzter und spekulativer Natur gewesen; aber mit Werkzeugen, die machtvoll genug wären, mit nuklearen oder chemischen Waffen beispielsweise, würde al-Qaida den Lauf der Dinge nachhaltig beeinflussen können.
IM JAHR 1994 stand Bin Laden auf dem Höhepunkt seines Erfolgs. Die ersten beiden Jahre im Sudan waren sehr angenehm und erfreulich verlaufen. Seine Frauen und Familien wohnten alle zusammen in seiner großen Villa; seine Geschäfte expandierten; al-Qaida gewann an Energie und Schwungkraft, wurde von der Außenwelt aber auch zunehmend argwöhnischer beobachtet. Zwar waren die meisten westlichen Geheimdienste noch nicht auf Bin Laden aufmerksam geworden oder unterschätzten die Dimension seines Projekts, aber die Saudis und die Ägypter behielten seine Aktivitäten im Sudan aufmerksam im Auge. Doch al-Qaida war nur schwer zu unterwandern. Loyalität und verwandtschaftliche Bindungen gepaart mit grenzenlosem Fanatismus bildeten kaum überwindbare Hindernisse für neugierige Außenstehende.
Freitags betete Bin Laden gewöhnlich in der Moschee Ansar al-Sunnah im Khartoumer Vorort Omdurman auf der gegenüberliegenden Seite des Nils. 18 Es war eine wahhabitische Moschee, die von vielen Saudis aufgesucht wurde. Am 4. Februar überfiel eine Gruppe von Kalaschnikow bewehrten Takfiristen, angeführt von einem Libyer namens Mohammed Abdullah al-Chileifi, zwei Polizeistationen, tötete dabei zwei Polizisten und erbeutete Waffen und Munition. Dann begaben sich Chileifi und zwei seiner Mitkämpfer zu der Moschee, wo gerade das Freitagsgebet zu Ende gegangen war. Sie feuerten wahllos in die Menge, wobei 16 Menschen getötet und 20 weitere verletzt wurden. Anschließend versteckten sich die Mörder am Flughafen. Am nächsten Tag fuhren sie durch Khartoum, hielten Ausschau nach weiteren möglichen Opfern und feuerten auf Polizisten auf den Straßen sowie auf Angestellte Bin Ladens im Stadtbüro von Wadi al-Aqiq. Sie wirkten völlig undiszipliniert, doch offensichtlich waren sie hinter Bin Laden her.
Um fünf Uhr nachmittags, als Bin Laden gewöhnlich seinen Salon öffnete, um Besucher zu empfangen, hatte er eine Auseinandersetzung mit seinem ältesten Sohn Abdullah. Seit seiner Kindheit litt Abdullah unter Asthma und hatte sich in Peschawar und auch in Khartoum nicht sonderlich wohl gefühlt. 19 Er war jetzt 16 Jahre alt und sehnte sich zurück zu seinen Freunden und Vettern in Dschidda, das auf der anderen Seite des Roten Meeres lag. Er gehörte einer sehr reichen Familie an, wie ihm wohl bewusst war, und in Dschidda gab es einen familieneigenen Strand, Yachten, Autos, Partys und all die Annehmlichkeiten, die sein Vater verabscheute. Abdullah fürchtete zudem, dass er aufgrund des häuslichen Schulunterrichts, den sein Vater für ihn organisiert hatte, hinter seinen Altersgenossen zurückgeblieben war - Bin Ladens Kinder mit seiner ersten Frau konnten tatsächlich kaum lesen. Osama seinerseits war der Ansicht, dass es seiner Familie im Sudan bereits viel zu gut gehe. Er wollte, dass sie asketischer lebte, nicht bequemer.
Während Vater und Sohn in Bin Ladens Haus miteinander sprachen, trafen nach und nach die Gäste in seinem Büro auf der anderen Straßenseite ein. „In diesem Augenblick hörte ich Schüsse vom Gästehaus her“,
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