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Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007

Titel: Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Wright
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Mutter bleiben. Umm Ali nahm die drei Kinder und kehrte mit ihnen zu ihrer Familie nach Mekka zurück. Die Töchter blieben auch bei ihr, als sie älter wurden.
    Bin Laden schätzte Loyalität; fast alle Menschen in seinem Umfeld hatten ihm Treue gelobt. Er lebte wie ein Feudalherr und lenkte das Schicksal Hunderter von Menschen. Verrat war bislang in seinem Herrschaftsbereich nahezu unbekannt. Dass sich nun plötzlich mehrere Mitglieder seiner Familie von ihm abwandten, war eine niederschmetternde Erfahrung für einen Mann, der für sich in Anspruch nahm, die islamischen Familienwerte beispielhaft zu verkörpern. Die strenge Tugendhaftigkeit, die er seinen Kindern abverlangte, hatte dazu geführt, dass sich einige von ihnen gegen ihn stellten. Dennoch ließ er sie bereitwillig gehen.
     
    AUCH BIN LADEN hatte Sehnsucht nach seiner Heimat. Seine Mutter oder andere Familienangehörige sah er nur noch, wenn das saudische Königshaus sie nach Khartoum entsandte, um ihn zur Rückkehr aufzufordern. König Fahd war außer sich vor Wut über Bin Ladens fortgesetzte Unbotmäßigkeit. Algerien und der Jemen bedrängten Saudi-Arabien, diesem Mann Einhalt zu gebieten, den sie als einen Mitverursacher der Aufstände in ihren Ländern betrachteten. Schließlich war es Ägypten, das das Wüstenkönigreich dazu zwang, sich zwischen seinem verlorenen Sohn und weiterhin guten Beziehungen zu einem mächtigen Verbündeten zu entscheiden. 27 Die Ägypter hatten genug von der Gewalt, die aus dem Sudan in ihr Land schwappte, und machten in ihren Protestschreiben immer wieder Bin Laden dafür verantwortlich. Am 5. März 1994 entzog König Fahd Bin Laden die saudische Staatsbürgerschaft. 28
    Saudi-Arabien ist ein überschaubares Land mit großen, weitverzweigten Familienclans und Stämmen, die auf komplexe Weise miteinander verbunden sind. Ausgebürgert zu werden, bedeutet, aus diesem engmaschigen Beziehungsgeflecht herausgerissen zu werden, das die Identität eines Saudis maßgeblich mitbestimmt. Die Staatsbürgerschaft ist ein sorgfältig gehütetes Gut, das nur selten Ausländern zugestanden wird, und dass die Angehörigen der Familie Bin Laden, obwohl jemenitischer Herkunft, anerkannte Mitglieder der saudischen Gesellschaft waren, zeugt davon, dass sie eine gut etablierte, wenngleich nicht unerschütterliche Position innehatten. Kurz nachdem der König Bin Laden die Staatsbürgerschaft aberkannt hatte, distanzierte sich Bakr Bin Laden, sein ältester Bruder, öffentlich von Osama und verstieß ihn aus der Familie. Viele Landsleute von Osama Bin Laden bezeichneten später die Aberkennung der Staatsbürgerschaft als jenen Augenblick, in dem sich Osama endgültig radikalisierte. Ein Emissär reiste in den Sudan, um die Nachricht offiziell zu überbringen und Bin Laden den Pass abzunehmen. Bin Laden schleuderte ihn dem Mann entgegen. „Nimm ihn meinetwegen, wenn du denkst Du könntest dadurch bestimmten, was ich tue oder lasse!“, rief er. 29
    Wütend und verbittert wies Bin Laden seine Mitarbeiter an, in London ein Büro zu eröffnen. (Er erwog sogar, in Großbritannien Asyl zu beantragen, doch nachdem das britische Innenministerium davon erfahren hatte, erklärte es ihn umgehend zur unerwünschten Person. 30 ) Dieses Büro, das Advice and Reformation Committee (Beratungs- und Reformausschuss), wurde von dem Saudi Chaled al-Fawwas und zwei ägyptischen Mitgliedern von al-Dschihad geleitet. Sie schickten zu Hunderten Faxe an prominente Saudis, die fassungslos darüber waren, wie unverhohlen Bin Laden die Verkommenheit der Königsfamilie und ihre heimlichen Geschäfte mit der Geistlichkeit anprangerte. Diese Botschaften sorgten in Saudi-Arabien für großen Wirbel, zumal der Wunsch nach Reformen ohnehin immer stärker wurde. Bin Laden veröffentlichte einen offenen Brief an Scheich Bin Bas, den obersten Geistlichen des Landes, in dem er dessen Fatwen kritisierte, durch die er die Herrscherfamilie ermächtigt hatte, die fortdauernde Anwesenheit der amerikanischen Truppen im heiligen Land zu gestatten und widerspenstige islamische Rechtsgelehrte einzukerkern.
    „Bring diesen Mann zur Räson“, wies der König schließlich Prinz Turki an. Es wurden Attentatspläne entwickelt, doch die Saudis eigneten sich nicht unbedingt als Killer, und Turki hatte auch nicht den Nerv für derart riskante Unternehmungen. Stattdessen wies das Innenministerium die Familie Bin Laden an, Osama den Geldhahn zuzudrehen, und beschlagnahmte seine Firmenanteile im

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