Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
Allein der Krieg gegen die Regierung sei die Lösung. „Dieses schlichte Argument hat uns erledigt“, erinnerte sich Abdullah Anas, der dem Widerstand angehörte. Islamisten wie Anas, die mit der Regierung in einen Dialog treten wollten, wurden ins Abseits gedrängt von anderen arabischen Afghanen in ihren Reihen, die der Takfir-Doktrin anhingen. 7
Die jungen, armen und überwiegend aus Städten stammenden Guerillakämpfer, die es nach Algerien zog, scharten sich unter dem Banner der Groupe Islamique Armé (GIA), der Bewaffneten Islamischen Gruppe. In den folgenden fünf Jahren tränkte diese Organisation den algerischen Boden mit Blut. Ihre Aktionen folgten dem vorgezeichneten takfiristischen Weg. Die Islamisten begannen mit der Ermordung von Nichtmuslimen, vor allem Priestern und Nonnen, Diplomaten, Intellektuellen, Feministinnen, Ärzten und Geschäftsleuten. Nach der Logik der GIA waren Demokratie und Islam unvereinbar; daher war jeder, der eine Wahlkarte besaß, ein Gegner des Islams und hatte den Tod verdient. Diese Tötungserlaubnis wurde bald auf alle Mitarbeiter in staatlichen Einrichtungen ausgedehnt, beispielsweise auch auf öffentliche Schulen. Im Jahr 1994 wurden allein im Lauf von zwei Monaten 30 Lehrer und Schulleiter getötet und 538 Schulen in Brand gesteckt. 8 Die Terroristen der GIA brachten aber nicht nur Lehrer und Demokraten um. Die Einwohner ganzer Dörfer wurden bei mitternächtlichen Überfällen massakriert. Diese Gräueltaten wurden in al-Ansar, der in London erscheinenden Wochenzeitung der GIA, gefeiert unter Schlagzeilen wie „Dank sei Gott, heute haben wir 200 Menschen die Kehlen durchgeschnitten!“und „Unser Bruder hat seinen Vater im Namen Allahs geköpft!“ 9 Der religiöse Wahn gipfelte schließlich in einer Deklaration, in der gewissermaßen die gesamte algerische Gesellschaft zum Feind erklärt wurde. In einem Communiqué verkündete die GIA unverhohlen: „In dem Krieg, den wir führen, gibt es keine Neutralität. Wer nicht auf unserer Seite steht, ist ein Abtrünniger und hat den Tod verdient.“Diese Formulierung fand vor allem bei jenen Islamisten starke Resonanz, die dem Konflikt apokalyptische Dimensionen beimaßen.
Selbst Bin Laden machte jetzt einen Rückzieher - vielleicht nicht wegen der Gewaltausbrüche, sondern wegen der heftigen Ablehnung, die dem islamistischen Projekt nun aus aller Welt entgegenschlug. Er wollte dem Dschihad „ein besseres Image verschaffen“. 10 Als einige GIA-Führer nach Khartoum kamen, um mehr Geld einzufordern, kritisierten sie ihn forsch wegen seiner „zu nachgiebigen Haltung“gegenüber den Demokraten, die ihn „schwach“erscheinen lasse. 11 Bin Laden packte die Wut und er entzog ihnen seine Unterstützung vollends. Doch seine 40 000 Dollar hatten bereits dazu beigetragen, eine Katastrophe heraufzubeschwören. Mehr als 100 000 Menschen sollten im algerischen Bürgerkrieg ums Leben kommen. 12
ENDE 1993 verbreitete sich das Gerücht in Khartoum, dass ein sudanesischer General Uran vom Schwarzmarkt besitze. Bin Laden hatte bereits Interesse an schlagkräftigeren Waffen bekundet, um seine neue Vision von al-Qaida als einer internationalen Terrororganisation umzusetzen. Er arbeitete mit der sudanesischen Regierung an der Entwicklung chemischer Stoffe, die auch gegen die christlichen Rebellen im Süden eingesetzt werden konnten, und schaffte mittels sudanesischer Frachtflugzeuge Waffen aus Afghanistan ins Land. 13 Er hatte einen amerikanischen Militärjet gekauft, eine T-39, die vor allem für den Transport von Stinger-Raketen eingesetzt werden sollte. Als er von dem Uran erfuhr, war er natürlich elektrisiert und schickte Dschamal al-Fadl zu dem General, um Preisverhandlungen aufzunehmen. 14
Laut eigener Aussage war Fadl die dritte Person, die gegenüber al-Qaida das Treuegelöbnis abgelegt hatte, wodurch er Bin Laden auf besondere Weise verbunden war. Fadl war ein drahtiger, flinker Sportler, der in Bin Ladens Fußballmannschaft Mittelstürmer spielte. Er trug stets ein Lächeln auf den Lippen und sein wieherndes Lachen überraschte oft die Menschen. Wie viele Mitglieder des inneren al-Qaida-Zirkels war er von Amerika aus in den Dschihad gezogen, nachdem er in der Filiale des Dienstleistungsbüros in der Atlantic Avenue in Brooklyn gearbeitet hatte. Weil Fadl Sudanese war und den örtlichen Immobilienmarkt kannte, hatte ihm Bin Laden Geld anvertraut, um Grundstücke und Häuser zu erwerben, bevor al-Qaida nach Khartoum
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