Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
Möglichkeiten und der bitteren Wirklichkeit viele Männer dazu, sich verstärkt um sich selbst zu kümmern.
Dschamal al-Fadl, einer von Bin Ladens bekanntesten und zuverlässigsten Mitarbeitern, hatte sich kritisch über die ungleiche Entlohnungsstruktur geäußert, bei der die Saudis und die Ägypter bevorzugt wurden. Als ihm Bin Laden eine Gehaltserhöhung verweigerte, griff der sudanesische Sekretär eigenmächtig in die Kasse. Mit dem Geld kaufte er sich einige Parzellen Land und ein Auto. In der kleinen Welt Khartoums fiel dieser plötzliche Wohlstand schnell auf. Als Fadl zur Rede gestellt wurde, gab er zu, dass er 110 000 Dollar entwendet habe. „Es geht mir nicht um das Geld, es geht mir um dich. Du bist einer meiner besten Männer bei al-Qaida“, erklärte ihm Bin Laden. „Wenn du Geld brauchst, hättest du dich an uns wenden sollen.“Bin Laden verwies auf andere al-Qaida-Mitglieder, die ein neues Auto oder ein Haus erhalten hatten, als sie um Hilfe baten. „Das hast du nicht getan“, sagte Bin Laden. „Du hast das Geld gestohlen.“
Fadl flehte Bin Laden an, ihm zu verzeihen, aber Bin Laden entgegnete, das werde er erst tun, „wenn du das ganze Geld zurückgegeben hast“.
Fadl überlegte sich das Angebot, dann verschwand er. Er sollte der erste Verräter al-Qaidas werden. Er bot seine Geschichte mehreren Geheimdiensten im Nahen Osten an, auch den Israelis. Schließlich fand er im Juni 1996 in der amerikanischen Botschaft in Eritrea einen Käufer. Für knapp eine Million Dollar wurde er zum Zeugen der US-Regierung. 38 Während er in Schutzhaft saß, gewann er den Hauptpreis in der New-Jersey-Lotterie. 39
DER BODEN AFRIKAS wurde Mitte der neunziger Jahre mit Blut getränkt. Bürgerkriege und bewaffnete Konflikte in Liberia, Angola, Sierra Leone, Kongo, Nigeria, Simbabwe, Burundi und der Völkermord in Ruanda forderten Millionen Todesopfer. Bin Laden betrachtete diese Auseinandersetzungen als eine Chance, al-Qaidas Einfluss auszuweiten. Er schickte Ali Mohammed in die kenianische Hauptstadt Nairobi, um amerikanische, britische, französische und israelische Anschlagsziele auszuspähen. Diese Länder wurden ausgesucht, weil sie sich an der Operation „Restore Hope“in Somalia beteiligten, die damals noch im Gange war.
Ali Mohammed schlenderte als Tourist getarnt durch Nairobi. Als mögliche Ziele fasste er das französische Kulturzentrum und das von Briten betriebene Norfolk-Hotel ins Auge, einen Prachtbau aus der Kolonialzeit. Die israelische Botschaft war zu stark gesichert, ebenso das Büro der israelischen Fluggesellschaft El Al in einem Einkaufszentrum.
Aber die amerikanische Botschaft bot sich als lohnendes Zielobjekt an. Sie stand unmittelbar an der Straße, sodass man mit einer Autobombe nahe genug herankommen konnte, um beträchtlichen Schaden anzurichten. Mohammed hatte zwei Kameras bei sich, eine trug er um den Hals wie ein Tourist, die andere, eine winzige Olympus, verbarg er in der Hand. 40 Vier oder fünf Tage lang ging er zu unterschiedlichen Tageszeiten an dem Gebäude vorbei, registrierte die Verkehrssituation und den Wechsel der Wachen. Er machte die Überwachungskameras ausfindig und ermittelte deren Reichweite. Die Fotos entwickelte er selbst und versteckte sie in einem Stapel anderer Bilder, damit sie nicht auffielen. Er arbeitete einen Anschlagsplan aus, den er auf einem Apple Powerbook 140 festhielt; dann kehrte er nach Khartoum zurück, um Bin Laden den Plan vorzutragen.
„Bin Laden schaute sich das Bild der amerikanischen Botschaft an und zeigte auf eine Stelle, wo ein Lastwagen mit einem Selbstmordattentäter in das Gebäude hineinfahren konnte“, sagte Mohammed später aus. 41 Doch als sich die internationale Staatengemeinschaft aus Somalia zurückzog und das geschundene Land wieder in tiefer Hoffnungslosigkeit versank, aus der es sich bis heute nicht befreit hat, kam der al-Qaida ihr durchsichtiger Vorwand für einen Angriff auf die US-Botschaft in Nairobi abhanden. Der Plan wurde jedoch nicht vergessen, sondern verschwand nur vorerst in der Schublade.
IM JAHR 1995 machte sich Bin Laden verstärkt Gedanken über sein Leben und seine Zukunft. Er kämpfte um den Fortbestand seiner Unternehmen und musste gleichzeitig verhindern, dass seine Organisation zerfiel. Er konnte es sich nicht länger leisten, dilettantisch zu agieren, aber er war auch nicht bereit, seine unprofitablen Geschäftszweige abzustoßen; das ihm bislang unbekannte Gefühl, pleite zu sein,
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