Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
lähmte ihn. Zudem sehnte er sich nach seiner vertrauten Umgebung. „Ich bin müde“, vertraute er einem seiner Gefolgsleute an. „Ich wünschte, ich könnte wieder in Medina leben. Nur Gott weiß, wie sehr mich das Heimweh plagt.“ 42
Al-Qaida hatte bislang nicht viel bewegt. Es war ein weiteres seiner mit viel Begeisterung begonnenen Projekte, das keine richtige Führung hatte und keine klare Richtung. Medani al-Tajeb, der Schatzmeister al-Qaidas, der Osamas Nichte geheiratet hatte, drängte Bin Laden, sich mit dem König zu versöhnen, um die Finanzlage der Organisation zu verbessern. 43 Die saudische Regierung schickte mehrere Delegationen zu Bin Laden nach Khartoum. 44 Nach Aussage von Bin Laden boten ihm die Behörden an, ihm den Pass und sein Geld zurückzugeben unter der Voraussetzung, „dass ich in den Medien erkläre, dass der König ein guter Muslim ist“. Außerdem behauptete er, die Saudis hätten seiner Familie zwei Milliarden Rial (533 Millionen Dollar) in Aussicht gestellt, wenn er dem Dschihad abschwöre. Bin Laden schwankte zwischen seiner ablehnenden Haltung gegenüber dem König, die er nach wie vor für richtig hielt, und dem Wunsch, Geld aufzutreiben, um al-Qaida am Leben zu erhalten. Als er das Angebot zurückwies, setzte sich Tajeb ab und sorgte für Entsetzen unter den Mitgliedern, als er plötzlich wieder in Saudi-Arabien auftauchte. Einige erklärten seine überraschende Fahnenflucht mit einem bösen Zauber, der ihn ergriffen habe.
Auch Bin Laden wollte wieder nach Hause, aber sein Zorn gegen König Fahd war zu stark, als dass er ihn als „guten Muslim“hätte bezeichnen können. In dieser Zeit träumte er einmal, er befinde sich in Medina, wo er den Lärm eines großen Festes hörte. Er schaute über eine Lehmmauer und sah, dass Prinz Abdullah ankam. „Das bedeutet, dass Abdullah König werden wird“, bemerkte er gegenüber Abu Rida. „Das wird eine Erleichterung sein für die Menschen, und sie werden sich freuen. Wenn Abdullah König wird, kehre ich zurück.“ 45
Aber momentan war Abdullah noch Kronprinz. Bin Laden schickte ihm einen höflichen und versöhnlichen Brief und versuchte herauszubekommen, was er dachte. 46 Er erhielt die Antwort, dass die saudische Regierung bereit sei, ihm die Rückkehr zu erlauben, wenn er den Dschihad aufgebe, anderenfalls würde er inhaftiert oder unter Hausarrest gestellt werden. 47
Auch seine Familie erfuhr, dass er gern nach Hause zurückkehren wollte, und wandte sich an einen langjährigen Freund Osamas, den Journalisten Dschamal Kaschoggi, der über Bin Ladens Abenteuer in Afghanistan berichtet hatte. Kaschoggi erhielt den Auftrag, Osama zu einem Interview zu bewegen, in dem er der Gewalt abschwor. Dies würde als ein öffentliches Signal an die Regierung gewertet werden, dass er deren Bedingung akzeptiert habe.
Bin Laden empfing seinen Freund herzlich. Kaschoggi hatte ihn zuvor schon mehrmals in Khartoum besucht. Bei seinem letzten Besuch, als Osama seine Pressekampagne gegen die saudische Regierung begann, hatte Kaschoggi ihn zusammen mit saudischen Dissidenten angetroffen, die ihm Zeitungsausschnitte holten, wenn er ein bestimmtes Argument belegen wollte. Diesmal gab es keine Zeitungsartikel. Bin Laden wirkte bedrückt und in sich gekehrt und hatte ständig seine automatische Waffe neben sich liegen. Sie aßen zu Abend auf der Terrasse seines Haus, neben dem Garten. Außer ihnen waren ein paar Saudis, ein Sudanese sowie der Iraker Abu Hadscher anwesend. Das Essen fand gegen 21 Uhr statt, als die Hitze etwas erträglicher geworden war. Sudanesische Diener breiteten eine Plastikdecke auf dem Boden aus und brachten eine große Schale mit Reis und Lamm - Dinner nach saudischer Art.
Kaschoggi erläuterte seinen Auftrag, und Bin Laden verurteilte mit klaren, eindeutigen Worten die Anwendung von Gewalt innerhalb des Königreiches. Dann holte Kaschoggi seinen Kassettenrekorder heraus. „Könntest du das bitte auch auf Band sprechen?“, fragte er.
„Das können wir morgen Abend erledigen“, erwiderte Bin Laden.
Am nächsten Tag zeigte Bin Laden Kaschoggi sein gentechnisches Labor, wo er ihm einen stundenlangen Vortrag darüber hielt, dass die Muslime verpflichtet seien, sich der modernen Technologie zu bedienen, um sich das Leben zu erleichtern. So besäßen beispielsweise die Holländer ein Monopol auf die besten Bananenstauden. Warum könnten nicht auch die Muslime im Gartenbau ein ähnlich hohes Niveau erreichen? Hier in seinem
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