Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
Omar wolle sein Gesicht retten, schlug Prinz Turki eine Kompromisslösung vor: Man würde ein gemeinsames Komitee bilden, das einen gangbaren Weg zur Auslieferung Bin Ladens finden sollte. Als sich Prinz Turki und seine Begleiter verabschiedeten und zum Aufbruch anschickten, fragte Turki noch einmal nach: „Sind sie im Prinzip einverstanden, uns Bin Laden zu geben?“
Mullah Omar bejahte. 12
Im Anschluss an dieses Treffen schickte Saudi-Arabien den Taliban Berichten zufolge 400 Geländewagen sowie eine Finanzhilfe als Anzahlung für die Auslieferung Bin Ladens. Sechs Wochen später gelang es den Taliban dank des Geldes und der Fahrzeuge, Masar-e Scharif zurückzuerobern, eine Bastion der persischsprachigen schiitischen Minderheit der Hasara. 13 Die Streitkräfte der Taliban wurden von mehreren 100 Arabern unterstützt, die Bin Laden geschickt hatte. 14 Sorgfältig platzierte Bestechungsgelder sorgten dafür, dass die Besatzung der Stadt auf nur 1500 Soldaten vom Stamm der Hasara zusammenschrumpfte, die rasch getötet wurden. Die Taliban wüteten zwei Tage lang in der nunmehr wehrlosen Stadt, vergewaltigten die Frauen und schossen wahllos auf alles, was sich bewegte, um den Opfern anschließend die Kehlen durchzuschneiden und toten Männern in die Hoden zu schießen. Die Leichen wurden den streunenden Hunden überlassen. Erst nach sechs Tagen erhielten die Überlebenden die Erlaubnis, ihre Toten zu bestatten. Jene Bewohner, die zu Fuß aus der Stadt zu flüchten versuchten, wurden von der Luftwaffe der Taliban bombardiert. Hunderte Menschen wurden in Frachtcontainer gepfercht und in der Wüstensonne geröstet. Die Vereinten Nationen schätzten die Zahl der Opfer dieses Gemetzels auf insgesamt fünf- bis sechstausend Menschen. Darunter waren zehn iranische Diplomaten und ein Journalist, die von den Taliban zusammengetrieben wurden, um sie im Keller des iranischen Konsulats zu erschießen. 400 Frauen wurden dazu gezwungen, Konkubinen zu werden.
Aber das Massaker von Masar-e Scharif wurde rasch von anderen Tragödien an weit entfernten Orten in den Schatten gestellt.
NACH DER GRÜNDUNG der Islamischen Front wuchs das Interesse der amerikanischen Geheimdienste an Sawahiri und al-Dschihad, der zu jener Zeit trotz einer engen Bindung an al-Qaida noch eine eigenständige Organisation war. Im Juli 1998 entführten CIA-Agenten in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku zwei Mitglieder von al-Dschihad. 15 Einer davon war Ahmed Salama Mabruk, Sawahiris engster politischer Vertrauter. Die Agenten kopierten die Daten von seinem Notebook, darunter Organigramme von al-Qaida und eine Aufstellung der Dschihad-Mitglieder in Europa. Dan Coleman sprach in Anspielung an die Entzifferung der Hieroglyphen vom „Stein von Rosette der al-Qaida“. Aber die CIA weigerte sich, die Daten an das FBI weiterzugeben.
Dies war einer jener typischen, sinnlosen bürokratischen Revierkämpfe, die die Bemühungen beider Einrichtungen um die Terrorbekämpfung von Anfang an behindert hatten. Verschlimmert wurde der Konflikt durch den persönlichen Groll, den leitende CIA-Mitarbeiter, darunter Scheuer, gegenüber O’Neill hegten. Die Behörde, die die Information als Wert an sich betrachtete, war ein schwarzes Loch und gab nichts frei, was nicht durch eine Kraft herausgezogen wurde, die größer war als die Schwerkraft - und die CIA hatte feststellen müssen, dass O’Neill eine solche Kraft war. Er würde die Information verwenden - für eine Anklage, für ein öffentliches Gerichtsverfahren -, womit sie nicht länger geheim wäre. Es würde keine nachrichtendienstliche Information mehr sein, sondern Beweismaterial und Material für Nachrichten. Damit würde diese Information für die CIA unbrauchbar werden. Die Behörde betrachtete die Freigabe jedes noch so kleinen Informationshappens als Niederlage, und es lag in ihrer Natur, dass sie Mabruks Computer behütete, als handelte es sich um die Kronjuwelen. Derart hochwertige Informationen bekam man nur selten in die Hand und es war mittlerweile äußerst schwierig geworden, sie dann auch zu nutzen. Nachdem das Personal der CIA jahrzehntelang zurechtgestutzt worden war, hatte sie nur noch 2000 wirkliche Agenten - wenn man so will: Spione, um die ganze Welt abzudecken.
O’Neill war derart erbost, dass er einen Beamten nach Aserbaidschan schickte, um den Präsidenten des Landes zur Herausgabe des tatsächlichen Computers zu bewegen. Als das nicht klappte, brachte er Bill Clinton dazu, sich
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