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Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007

Titel: Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Wright
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hin, dass es zahlreiche Beweise dafür gebe, dass Bin Laden hinter den Bombenanschlägen in Ostafrika stecke. Malinowski fügte hinzu, er habe Respekt für die Stammesgesetze, die Omar dazu verpflichteten, Bin Laden Schutz zu gewähren, doch der Saudi verhalte sich wie ein Gast, der aus dem Fenster seines Zimmers auf die Nachbarn seines Gastgebers schieße. Solange sich Bin Laden in Afghanistan aufhalte, warnte Malinowski, werde es keine Wiederaufbauhilfe geben. Das Gespräch brachte keine konkreten Ergebnisse, aber es war die erste von vielen ähnlich offenen inoffiziellen Unterhaltungen zwischen amerikanischen Regierungsvertretern und den Taliban.
    Es war Mullah Omar zweifellos klar, dass er ein Problem hatte. Bin Ladens Kriegserklärung an die Vereinigten Staaten hatte die Taliban gespalten. Auf der einen Seite gab es jene, die erklärten, Amerika sei stets ein Freund Afghanistans gewesen. Warum sollte man aus diesem Verbündeten ohne Grund einen mächtigen Feind machen? Sie erklärten, dass niemand in Bin Ladens innerem Kreis einschließlich seiner selbst die religiöse Autorität besitze, eine Fatwa auszusprechen, geschweige denn, den heiligen Krieg auszurufen. Andere waren der Meinung, die Vereinigten Staaten hätten sich mit dem Luftangriff zum Feind Afghanistans gemacht.
    Omar war erbost darüber, dass Bin Laden seine Autorität in Frage stellte, aber der amerikanische Angriff auf afghanisches Territorium brachte ihn in eine Zwickmühle. 2 Lieferte er Bin Laden aus, so würde man ihm vorwerfen, sich dem Druck der Amerikaner zu beugen. Dann, so nahm er an, würden sich die Taliban kaum an der Macht halten können. 3 Und dann war da noch die Vereinbarung, die er mit Prinz Turki geschlossen hatte, der bald wieder in Kandahar erscheinen würde, um Bin Laden abzuholen und nach Saudi-Arabien zurückzubringen.
    Einmal mehr zitierte Omar seinen Gast Bin Laden zu sich. „Ich vergoss Tränen“, sagte Bin Laden später. „Ich sagte Mullah Omar, dass wir sein Land verlassen und uns auf den Weg in Gottes weites Reich machen würden, aber dass wir unsere Kinder und Frauen unter seiner Obhut zurücklassen würden. Ich sagte, wir würden uns auf der Suche nach einem neuen Zufluchtsort machen. Mullah Omar sagte, es sei noch nicht soweit.“ 4
    Nun leistete Bin Laden einen Lehnseid, der große Ähnlichkeit mit dem Treuegelübde hatte, das die Mitglieder von al-Qaida ihm gegenüber ablegten. Er erkannte Omar als den Führer der Gläubigen an. „Wir betrachten dich als unseren noblen Emir“, schrieb Bin Laden. „Wir fordern alle Muslime auf, dich nach besten Kräften zu unterstützen und mit dir zusammenzuarbeiten.“ 5
    Nachdem er dieses Versprechen bekommen hatte, änderte Mullah Omar seine Haltung. Er betrachtete Bin Laden nicht länger als Bedrohung. Zwischen den beiden entwickelte sich eine Freundschaft. Von nun an erwies sich Mullah Omar als Bin Ladens entschiedenster Fürsprecher, wenn sich andere Taliban über den Saudi beklagten. Die beiden Männer gingen oft unterhalb eines Staudamms westlich von Kandahar zusammen angeln. 6
     
    „ WARUM KOMMEN SIE diesmal nicht mit?“, fragte Prinz Turki seinen pakistanischen Kollegen General Nasim Rana, den Leiter des ISI, als er sich Mitte September anschickte, den Führer der Taliban erneut zu besuchen. „Dann wird Mullah Omar begreifen, dass wir es beide wirklich ernst meinen.“ 7
    Aufgrund ihrer eigenen geheimdienstlichen Erkenntnisse hatten die Pakistanis Turki darüber informiert, dass Bin Laden hinter den Anschlägen auf die amerikanischen Botschaften stecke und dass der Angriff in Nairobi sogar von saudischen Staatsbürgern durchgeführt worden sei. Turki schwante langsam, dass er nicht mehr über die Auslieferung eines Dissidenten verhandelte, sondern es mit einem Terrorfürsten zu tun hatte. Den beiden wichtigsten Verbündeten der Taliban - Saudi-Arabien und Pakistan - müsste es doch gelingen, den Afghanen zur Herausgabe seines lästigen Gastes zu bewegen.
    Turki und General Rana trafen Mullah Omar in demselben Gästehaus in Kandahar, in dem der saudische Prinz bei ihrer ersten Begegnung empfangen worden war. Turki begrüßte den Führer der Taliban und erinnerte ihn an sein Versprechen. Omar antworte zunächst nicht, sondern erhob sich unvermittelt und verließ den Raum. Turki fragte sich, ob sich Omar mit seinem Schura-Rat oder mit Bin Laden selbst beriet. Als der Führer der Gläubigen nach etwa 20 Minuten zurückkehrte, sagte er: „Es muss einen

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