Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
Übersetzungsfehler gegeben haben. Ich habe euch nie gesagt, dass wir Bin Laden ausliefern würden.“
„Aber Mullah Omar, ich habe das nicht nur einmal gesagt“, stieß Turki hervor. Er deutete auf Omars wichtigsten Berater Mullah Wakil Ahmed Muttawakil, der zugleich de facto Außenminister der Taliban war. Muttawakil war, wie Turki anmerkte, erst im Vormonat im Königreich gewesen, um die Übergabe auszuhandeln. Wie konnte Omar vorgeben, dass es keine Vereinbarung gegeben habe?
Omars Stimme wurde schrill und er begann zu schwitzen. Turki begann sich zu fragen, ob er unter Drogen stand. 8 Omar schrie den Prinzen an, Bin Laden sei „ein ehrenhafter Mann, ein bedeutender Mann“, der nichts weiter wolle, als dass die Amerikaner Arabien verließen. „Anstatt ihn zu verfolgen, solltet Ihr euch mit uns und mit ihm verbünden und die Ungläubigen bekämpfen.“Er bezeichnete Saudi-Arabien als „besetztes Land“und stieß derart heftige persönliche Beleidigungen aus, dass der Übersetzer zögerte, sie weiterzugeben.
„Ich werde das nicht länger hinnehmen“, erklärte Turki erbost. „Denken Sie an meine Worte, Mullah Omar: Was Sie jetzt tun, wird dem afghanischen Volk großen Schaden zufügen.“
Auf der Rückfahrt zum Flughafen herrschte betroffenes Schweigen zwischen Turki und General Rana. Besonders frustrierend für den Prinzen war es, erneut an der verfallenen Anlage von Tarnak vorbeifahren zu müssen, in der Bin Laden Unterschlupf gefunden hatte. Von nun an würde dieser Mann nicht nur Turkis persönliche Reputation, sondern auch Saudi-Arabiens Ansehen in der Welt in Geiselhaft halten.
DER AMERIKANISCHE Luftschlag hatte Schäden in den afghanischen Ausbildungslagern angerichtet, aber die Camps wurden ohne Schwierigkeiten verlegt, 9 und zwar in der Nähe der dicht besiedelten Städte Kandahar und Kabul. Aber der Angriff hatte eine gewisse Paranoia geweckt, und die al-Qaida-Mitglieder, die seit jeher misstrauisch gegenüber Außenstehenden waren, begannen sich nun gegenseitig zu verdächtigen. Saif al-Adl, der Leiter von Bin Ladens Sicherheitskräften, war davon überzeugt, dass es in seinem Lager einen Verräter gab. Schließlich hätten Bin Laden und Schlüsselmitglieder der Schura eigentlich in Khost sein sollen, als die Bomben dort einschlugen. Hätten sie sich nicht in letzter Sekunde entschlossen, stattdessen nach Kabul zu fahren, wären sie vielleicht getötet worden.
Bin Laden war immer noch sehr zugänglich für die Männer, es war leicht, an ihn heranzukommen. Einmal setzte sich ein Sudanese namens Abu al-Schatha in den Kreis und wandte sich vor den anderen Führern in rüdem Ton an Bin Laden. Einer der Männer, Abu Dschandal, erkannte den Mann als Takfiri und bot an, sich zwischen ihn und Bin Laden zu setzen. „Das ist nicht notwendig“, versicherte ihm Bin Laden, der jedoch während des ganzen Gesprächs die Hand auf seiner Pistole liegen hatte. 10
Als der sudanesische Takfiri eine plötzliche Bewegung machte, warf sich Abu Dschandal auf ihn, drehte ihm den Arm auf den Rücken und setzte sich auf ihn. Bin Laden lachte und rief: „Abu Dschandal, lass den Mann los!“
Aber Bin Laden und seine ägyptischen Sicherheitsleute waren beeindruckt von der Wachsamkeit und Entschlossenheit dieses loyalen Gefolgsmanns. Bin Laden gab Abu Dschandal eine Pistole und ernannte ihn zu seinem persönlichen Leibwächter. Im Magazin steckten nur zwei Kugeln, die dazu bestimmt waren Bin Laden angesichts einer unvermeidlichen Gefangennahme zu erschießen. Abu Dschandal polierte diese Kugeln jeden Abend, wobei er zu sich sagte: „Dies sind Scheich Osamas Kugeln. Ich bete zu Gott, dass er sie mich nie verwenden lässt.“
Nach der Demütigung des Prinzen Turki durch Mullah Omar machten sich sowohl die Taliban als auch Bin Ladens Sicherheitskräfte auf eine Reaktion der Saudis gefasst. In Khost verhafteten die Taliban einen jungen Usbeken, der durch sein seltsames Verhalten auffiel. Sein Name war Siddiq Ahmed, und er war im saudischen Königreich aufgewachsen. Er gestand, von Prinz Salman, dem Gouverneur von Riad, geschickt worden zu sein, um Bin Laden zu töten. (Prinz Salman bestreitet das.) Als Gegenleistung seien ihm zwei Millionen Saudi-Rial und die saudische Staatsbürgerschaft versprochen worden. „Hast du wirklich gedacht, Scheich Osama Bin Laden töten und entkommen zu können, wo er doch von 14 gut ausgebildeten Leibwächtern mit automatischen Waffen geschützt wird?“, fragte Abu Dschandal. Der
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