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Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007

Titel: Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Wright
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Vorgesetzter mit. 13
    Man erwartete von ihm, dass er mit einer Medaille um den Hals in den Ruhestand ging. „Stecken Sie sich das Ding in den Arsch“, sagte Scheuer. Er meldete sich am folgenden Montag um die übliche nachtschlafende Zeit zum Dienst und setzte sich in die Bibliothek. Dort blieb er mehrere Monate, ohne irgendeine Aufgabe, und wartete darauf, dass die Behörde an ihn herantrat, sobald sie ihr Zaudern wegen ein paar toter Prinzen überwand und bereit war zu töten.
     
    O’NEILLS BÜRO befand sich an der Nordostecke im 25. Stock der New Yorker FBI-Zentrale an der Federal Plaza Nummer 26. Hier residierte er seit 1997. Aus einem Fenster blickte er auf das Chrysler Building und das Empire State Building, aus dem anderen sah er auf die Brooklyn Bridge. Er achtete darauf, dass es kein zweites FBI-Büro wie seines gab. Er ließ die von Gefängnisinsassen angefertigten Behördenmöbel rausschmeißen und stellte eine lilafarbene Couch in den Raum. Auf seinem rötlichen Kaffeetisch aus Mahagoni lag ein Buch über Tulpen - The Flower That Drives Men Wild -, und er füllte den Raum mit Pflanzen und frischen Schnittblumen. Er hatte zwei Computer, eine veraltete anfällige Kiste, die von der Behörde zur Verfügung gestellt worden war, und seinen eigenen Hochgeschwindigkeitsrechner. Im Hintergrund lief unentwegt CNN auf einem kleinen Fernsehgerät. Statt der üblichen Familienfotos hingen Bilder französischer Impressionisten an den Wänden.
    Nur wenige Leute in der Behörde wussten, dass O’Neill in New Jersey eine Frau und zwei Kinder (John Junior and Carol) zurückgelassen hatte, die ihm nicht gefolgt waren, als er 1991 nach Chicago gegangen war. Bald nach seiner Ankunft hatte er Valerie James kennen gelernt, die in der Modebranche arbeitete, geschieden war und ebenfalls zwei Kinder hatte. Sie war groß, schlank und schön, hatte einen durchdringenden Blick und eine erotische Stimme. Sie hatte O’Neill in einer Bar gesehen und ihn auf einen Drink eingeladen, weil er „sehr anziehende Augen hatte“. Sie begannen ein Gespräch, das bis fünf Uhr morgens dauerte.
    O’Neill schickte Valerie jeden Freitag Blumen, denn sie hatten sich an einem Freitag kennen gelernt. Er war ein ausgezeichneter Tänzer und gab zu, dass er als Teenager in der Tanzsendung American Bandstand im Fernsehen aufgetreten war. Wann immer Valerie auf Geschäftsreise ging, fand sie in ihrem Hotelzimmer eine Flasche Wein vor. „Bist du sicher, dass du nicht verheiratet bist?“, fragte sie ihn.
    Kurz vor O’Neills Umzug nach Washington 1995 nahm eine Agentin Valerie bei der Weihnachtsfeier im Büro beiseite und verriet ihr, dass O’Neill eine Familie in New Jersey hatte. „Das ist unmöglich“, sagte Valerie. „Wir werden heiraten. Er hat bei meinem Vater um meine Hand angehalten.“
    Während er Valerie umwarb, hatte O’Neill in Washington eine Freundin namens Mary Lynn Stevens, die im Pentagon in der Filiale der Federal Credit Union arbeitete. Als sie ihn zwei Jahre zuvor zu Neujahr in Chicago besucht hatte, hatte er sie gefragt, ob sie eine „exklusive“Beziehung zu ihm eingehen wolle. Mary Lynn erfuhr von Valerie, als sie zufällig eine Nachricht auf seinem Anrufbeantworter hörte. Sie stellte ihn zur Rede, und er flehte sie auf Knien um Verzeihung an. Er versprach ihr, er werde Valerie nie wieder sehen. Doch als Mary Lynn wieder in Washington war, erfuhr sie von ihrer Friseuse, die zufällig aus Atlantic City war, von O’Neill’s Ehefrau. O’Neill erklärte ihr, die Scheidung sei noch nicht rechtskräftig und er habe die Beziehung zu ihr nicht gefährden wollen, indem er ihr von seiner Ehe erzählte, die längst beendet sei. Es seien lediglich noch ein paar rechtliche Details zu klären. Eine ganz ähnliche Erklärung hatte er Valerie gegeben.
    Kurz nach seiner Ankunft in Washington traf er eine weitere Frau, Anna DiBattista, eine flotte Blondine, die in der Rüstungsindustrie arbeitete. Sie wusste von Anfang an, dass er verheiratet war (eine Kollegin klärte sie darüber auf), aber O’Neill erzählte ihr nie etwas von seinen anderen Frauen. Annas Priester warnte sie: „Dieser Bursche wird dich nie heiraten. Er wird seine Ehe niemals annullieren lassen.“Doch eines Tages erzählte ihr O’Neill, das er die Annullierung durchgesetzt habe - was gelogen war. „Ich weiß, wie viel dir das bedeutet“, sagte er. Oft verbrachte er einen Teil der Nacht mit Mary Lynn und den Rest mit Anna. „Ich glaube nicht, dass er jemals

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