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Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007

Titel: Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Wright
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junge Mann war erst 18 Jahre alt und sah aus wie ein Kind. „Ich habe einen Fehler begangen“, schluchzte er. Er war benommen und wirkte erbärmlich. Schließlich befahl Bin Laden seinen Leuten, ihn gehen zu lassen. 11
     
    ANFANG FEBRUAR 1999 geriet Bin Laden erneut in Mike Scheuers Gesichtsfeld. Die CIA erfuhr, dass Bin Laden mit mehreren Falknern aus der Herrscherfamilie der Vereinigten Arabischen Emirate in der Wüste südlich von Kandahar ein Lager aufgeschlagen hatte. Den Hinweis hatte der Leibwächter einer der Prinzen gegeben. Das Objekt der Begierde der Jagdgesellschaft war die große Kragentrappe, ein vom Aussterben bedrohter Vogel, der für seine Geschwindigkeit und Listigkeit sowie dafür bekannt ist, dass aus seinen Organen ein angeblich sehr wirksames Aphrodisiakum gewonnen werden kann. Die Prinzen reisten in einer C-130 an, in der sie Generatoren, Kühlwagen, klimatisierte Zelte, Antennen für den Funkverkehr und den Fernsehempfang sowie fast 50 Geländewagen mitbrachten, die den afghanischen Gastgebern als kleines Dankeschön zurückgelassen wurden. Scheuer konnte das Lager auf Aufklärungsfotos deutlich ausmachen. Er konnte sogar die Falken erkennen, die auf ihren Stangen rasteten. Aber Bin Ladens kleineres Lager, das sich in der Nähe befinden musste, konnte er nicht entdecken.
    Wann immer Bin Laden seinen Fuß in das fürstliche Lager setzte, informierte der Leibwächter aus den Emiraten umgehend seinen amerikanischen Kontaktmann in Pakistan, und die Information landete innerhalb einer Stunde auf Scheuers Tisch. Afghanische Spione, die in einem weiten Kreis um das Lager postiert waren, bestätigten das Kommen und Gehen des Saudis.
    Scheuer ist groß, sein Gesicht ist von Falten zerfurcht, er trägt eine Brille und hat einen borstigen braunen Bart. Sein Porträt würde gut an eine Wand in einem preußischen Landsitz des 19. Jahrhunderts passen. Er ist ein engagierter und rastloser Mensch, der jede Nacht nur wenige Stunden schläft. Coleman fiel oft auf, dass sich Scheuer um 2 Uhr 30 oder zu einer ähnlich nachtschlafenden Zeit in die Dienstliste eingetragen hatte. Er blieb üblicherweise bis acht Uhr abends im Büro. Scheuer, ein frommer Katholik von der Art, die Coleman gut bekannt war, wahrte eine kühle Distanz zu der Arbeit, die er tun musste. Nur einige Monate vorher hatte er die Information erhalten, dass Bin Laden in der Residenz des Gouverneurs von Kandahar übernachten würde. Scheuer schlug einen raschen Angriff mit einem Marschflugkörper vor, doch die Führung der Streitkräfte lehnte mit dem Hinweis ab, eine solche Operation könne 300 Personen töten und eine nahe gelegene Moschee in Mitleidenschaft ziehen. 12 Solche Einwände trieben Scheuer zur Weißglut.
    In der festen Überzeugung, es werde sich nie eine bessere Gelegenheit als bei diesem Jagdausflug bieten, Bin Laden zu töten, begleitete Scheuer den CIA-Direktor George Tenet zu einem Treffen mit Richard A. Clarke im Weißen Haus. Einmal mehr ließ das Pentagon die Marschflugkörper - das Mittel der Wahl zur Ausschaltung der Feinde Amerikas - für einen Schlag am folgenden Morgen scharf machen. Clarke war erst vor kurzem in den Emiraten gewesen, wo er am Verkauf amerikanischer Kampfflugzeuge im Wert von acht Milliarden Dollar beteiligt gewesen war. Er unterhielt persönliche Beziehungen zu Mitgliedern verschiedener Fürstenfamilien. Zweifellos ging ihm das Bild toter Prinzen im Wüstensand durch den Kopf, und er hatte den Fehlschlag der Operation „Infinite Reach“noch in frischer Erinnerung. Dazu kam, dass die CIA nicht garantieren konnte, dass sich Bin Laden tatsächlich in dem Lager aufhalten würde.
    Clarke lehnte den Angriff ab. Tenet sprach sich ebenfalls dagegen aus. Scheuer fühlte sich betrogen. Die Gründe für die Ablehnung der beiden Männer schienen kleinlich und von finanziellen Interessen geleitet verglichen mit der großen Chance, Bin Laden zu töten. „Ich denke nicht immer an die Konsequenzen“, gab Scheuer zu, und zum Beweis verschickte er einige gekränkte E-Mails, in denen er die Entscheidungsträger tadelte. Auf den Fluren der CIA-Zentrale wurde gemunkelt, er habe einen Zusammenbruch erlitten, seine Besessenheit von Bin Laden habe ihn überwältigt. Er bekam einen Wutanfall gegenüber einem hochrangigen FBI-Vertreter bei der Alec Station, der einen erbosten Anruf von FBI-Direktor Freeh bei Tenet auslöste. Im Mai wurde Scheuer als Vorsitzender Alecs abgesetzt. Er sei ausgebrannt, teilte ihm sein

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