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Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007

Titel: Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Wright
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Wirklichkeit ist, die sich nur noch materialisieren muss.“Diese Worte fanden Widerhall in den Ohren ganzer Generationen junger Muslime, die nach einer eigenen Rolle in der Geschichte suchten.
    Im Jahr 1964 erreichte der irakische Staatspräsident Abdul al-Salam Aref bei Nasser eine Begnadigung Qutbs, lud ihn in den Irak ein und stellte ihm ein einflussreiches Regierungsamt in Aussicht. Doch Qutb lehnte das Angebot ab mit der Begründung, Ägypten brauche ihn noch. Er kehrte in sein Haus in Helwan zurück und begann, gegen die Revolutionsregierung zu arbeiten.
    Aus dem Gefängnis heraus war es Qutb gelungen, den Geheimapparat der Bruderschaft zu reorganisieren. Saudi-Arabien, dessen Regime die Ausstrahlungskraft von Nassers Revolution fürchtete, unterstützte Qutbs Gruppe heimlich mit Geld und Waffen, doch die Bewegung war mit Spionen durchsetzt. 94 Zwei Männer wurden verhaftet und benannten Qutb als Drahtzieher einer Verschwörung zum Sturz der Regierung und der Ermordung mehrerer bekannter Persönlichkeiten. 95 Nur ein halbes Jahr nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis wurde Qutb in einem Seebad östlich von Alexandria abermals von der Sicherheitspolizei verhaftet. 96
    Der Prozess gegen ihn und 42 Mitangeklagte wurde am 19. April 1966 eröffnet und dauerte fast drei Monate. „Die Zeit ist gekommen, dass ein Muslim seinen Kopf opfert, um die Geburt der islamischen Bewegung zu verkünden“, erklärte Qutb trotzig zu Beginn der Verhandlung. 97 Er musste verbittert zur Kenntnis nehmen, dass das revolutionäre Ägypten schlimmer war als jenes Regime, das es verdrängt hatte. Die Richter bemühten sich erst gar nicht, unparteiisch zu erscheinen; der vorsitzende Richter übernahm sogar häufiger die Rolle des Anklägers, und johlende Zuschauer applaudierten der Scharade. Das einzige wirkliche Beweismittel, das gegen Qutb ins Feld geführt werden konnte, war sein Buch Wegzeichen. Qutb nahm das Todesurteil dankbar entgegen. „Dank sei Gott“, erklärte er. „Ich habe 15 Jahre lang den heiligen Krieg geführt, bis mir dieses Märtyrertum zuteil wurde.“ 98
    Bis zum Schluss unterschätzte Nasser seinen unbeugsamen Widersacher. Als Scharen von Demonstranten auf die Straßen Kairos strömten, um gegen die Hinrichtung zu protestieren, erkannte Nasser, dass Qutb ihm als Toter gefährlicher werden konnte denn als Lebender. Er entsandte Sadat zum Gefängnis, wo Qutb ihn in dem traditionellen roten Sackleinen-Pyjama eines Verurteilten empfing. 99 Sadat erklärte Qutb, dass Nasser Milde walten lassen würde, wenn er ein Gnadengesuch einreichte; Nasser sei sogar bereit, ihm abermals das Amt des Bildungsministers anzubieten. 100 Qutb lehnte ab. Dann wurde Qutbs Schwester Hamida, die ebenfalls eingesperrt war, zu ihm in die Zelle gebracht. „Die islamische Bewegung braucht dich“, beschwor sie ihn. „Bitte schreib die Worte.“ 101 Qutb erwiderte: „Meine Worte werden stärker sein, wenn sie mich töten.“
    Sajid Qutb wurde am 29. August 1966 kurz nach dem Morgengebet gehängt. Die Regierung weigerte sich, seinen Leichnam der Familie auszuhändigen, weil sie fürchtete, dass das Grab zu einem Wallfahrtsort für seine Anhänger werden könnte. 102 Die radikale islamistische Bedrohung schien nun ihr Ende gefunden zu haben. Doch Qutbs Anhänger saßen bereits in den Startlöchern.

2 DER SPORTKLUB
    Ajman al-Sawahiri, der Mann, der Qutbs Vorhut anführen sollte, wuchs in einem ruhigen, gutbürgerlichen Vorort namens Maadi auf, rund acht Kilometer südlich vom lauten, turbulenten Kairo. 1 Ein Ort, in dem man kaum eine Brutstätte der Revolution vermuten würde. Eine Gruppe ägyptisch-jüdischer Finanziers, die zwischen den Mango- und Guave-Pflanzungen und den Beduinensiedlungen auf dem Ostufer des Nils eine Art englisches Dorf schaffen wollten, hatten hier in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Grundstücke zu verkaufen begonnnen. Die Erschließungsunternehmer regulierten alles, von der Höhe der Gartenzäune bis zur Farbe der Fensterläden an den großen Villen entlang der Straßen. Ähnlich wie Nathan Meeker, der Gründer von Greeley, träumten auch die Schöpfer von Maadi von einer utopischen Gesellschaft, die nicht nur sicher, sauber und geordnet, sondern auch tolerant sein sollte und sich einfügen sollte in die moderne Welt. Sie pflanzten Eukalyptusbäume, um Fliegen und Mücken abzuwehren, und legten Gärten an, damit es im Viertel nach Rosen, Jasmin und Bougainvilleen duftete. Bei den ersten Siedlern handelte es

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