Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
Nasser, durch diese Milde sein Ansehen bei den Islamisten verbessern und sie davon abhalten zu können, sich gegen die zunehmend säkularer ausgerichteten Ziele der neuen Regierung zu wenden; vielleicht glaubte er auch, dass Qutb durch die Haft gefügiger geworden sei. Wie der frühere König unterschätzte auch Nasser die Hartnäckigkeit seines Gegenspielers.
Qutb verfasste mehrere feurige Leitartikel, in denen er zum heiligen Krieg gegen die Briten aufrief, gerade als Nasser mit ihnen über ein Ende der Besatzung verhandelte. Im August 1954 verbot die Regierung die Zeitschrift. Mittlerweile hatten sich die Spannungen zwischen den Muslimbrüdern und den Militärmachthabern verschärft und waren in offene Gegnerschaft umgeschlagen. Es war offensichtlich, dass Nasser nicht die Absicht hatte, eine islamische Revolution durchzuführen, obwohl er im selben Monat eine Pilgerreise nach Mekka unternommen hatte, über die in den Medien ausführlich berichtet worden war. Aus Wut und Verbitterung verbündete sich Qutb mit den ägyptischen Kommunisten und unternahm zusammen mit ihnen einen vergeblichen Umsturzversuch gegen Nasser. 83
Der ideologische Kampf um die Zukunft Ägyptens erreichte am 25. Oktober 1954 seinen Höhepunkt. Am Abend dieses Tages hielt Nasser vor einer riesigen Menschenmenge auf einem Platz in Alexandria eine Rede. Das gesamte Land hörte an den Radioapparaten zu, als ein Mitglied der Muslimbruderschaft nach vorn stürmte und acht Schüsse auf den Präsidenten abfeuerte. Ein Leibwächter wurde verletzt, Nasser jedoch blieb unversehrt. Das war der Wendepunkt in Nassers Präsidentschaft. Trotz des Tumults, der unter den Zuschauern ausbrach, redete Nasser weiter. „Sollen sie Nasser ruhig umbringen! Wer ist denn Nasser? Er ist nur einer von vielen!“, rief er. „Ich lebe, und selbst wenn ich sterbe, dann seid ihr alle Gamal Abd al-Nasser!“ 84 Hätte der Schütze Nasser getroffen, wäre er als Held gefeiert worden, doch durch das fehlgeschlagene Attentat wuchs Nasser eine Popularität zu, die er bis dahin nie erreicht hatte, und er nutzte sie sofort, um sechs Verschwörer hängen zu lassen und Tausende andere in Internierungslager zu stecken. 85 Qutb wurde beschuldigt, ein Mitglied des Geheimapparats der Muslimbruderschaft zu sein, der für den Anschlag verantwortlich gemacht wurde. 86 Nasser glaubte, die Bruderschaft nun endgültig zerschlagen zu haben.
ERZÄHLUNGEN über Sajid Qutbs Leiden im Kerker wurden zu einer Art Passionsspiel für die islamischen Fundamentalisten ausgeschmückt. Es hieß, Qutb habe hohes Fieber gehabt, als er verhaftet wurde, dennoch hätten ihn die Geheimdienstoffiziere in Handschellen abgeführt und ihn gezwungen, zu Fuß zum Gefängnis zu gehen. Unterwegs habe er mehrmals einen Schwächeanfall erlitten. Stundenlang sei er anschließend mit bösartigen Hunden in eine Zelle gesperrt und während der langen Verhöre sei er geschlagen worden. 87 „Die Prinzipien der Revolution wurden auf uns angewendet“, erklärte Qutb, während er das Hemd hochschob, um den Gericht seine Foltermale zu zeigen. 88
Gestützt auf angebliche Geständnisse weiterer Mitglieder der Muslimbruderschaft, entwarf die Anklage ein Aufsehen erregendes Szenario: Die Verschwörer hätten einen Staatstreich geplant, der mit der Zerstörung Kairos und Alexandrias, der Sprengung sämtlicher Brücken über den Nil und der Ermordung zahlreicher Menschen verbunden sein sollte - eine beispiellose Terrorwelle im Namen der Umwandlung Ägyptens in eine primitive Theokratie. 89 Aus den Aussagen ging jedoch auch hervor, dass die Muslimbrüder nicht straff genug organisiert waren, um derart grauenhafte Taten zu begehen. Drei höchst voreingenommene Richter, darunter auch Anwar al-Sadat, leiteten den Prozess. Sie verurteilten Qutb zu lebenslanger Haft, aber als sich seine Gesundheit verschlechterte, wurde seine Strafe auf 15 Jahre herabgesetzt.
Qutb hatte seit jeher eine schwächliche Konstitution. 90 Er hatte ein schwaches Herz, einen empfindlichen Magen und litt unter Ischiasbeschwerden, die ihm ständige Schmerzen verursachten. Nachdem er mit 30 Jahren an einer Lungenentzündung erkrankt war, hatte er häufig mit Atemwegsproblemen zu kämpfen. Er erlitt im Gefängnis zwei Herzinfarkte und bekam Lungenblutungen, die möglicherweise eine Folge der Folterungen waren, vielleicht aber auch Tuberkulose. 91 Im Mai 1955 wurde er ins Gefängniskrankenhaus verlegt, wo er die folgenden zehn Jahre verbrachte. In dieser Zeit
Weitere Kostenlose Bücher