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Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007

Titel: Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Wright
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rundgesichtig, hatte wachsame Augen und einen schmalen Mund, der nur selten lächelte. Er war ein Bücherwurm, der sich durch seine schulischen Leistungen hervortat und gewalttätige Sportarten hasste - er hielt sie für „unmenschlich“. 6 Schon in jungen Jahren galt er als fromm, er nahm häufig an den Gebeten in der Hussein-Sidki-Moschee teil; der unscheinbare Anbau an ein Wohnhaus war nach einem berühmten Schauspieler benannt, der seinem Beruf entsagt hatte, weil er ihn als gottlos empfand. Dass sich Ajman für Religion interessierte, erschien normal in einer Familie, die so viele bekannte Religionsgelehrte hervorgebracht hatte, doch es verfestigte auch das Bild, das andere von ihm hatten, nämlich dass er ein Weichling sei und eigentlich in einer anderen Welt lebe.
    Er war ein ausgezeichneter Schüler und wurde von allen Lehrern geachtet und gelobt. Seine Klassenkameraden hielten ihn gar für ein „Genie“, aber er war in sich gekehrt und schien beim Unterricht häufig Tagträumereien nachzuhängen. 7 Einmal teilte der Schuldirektor Ajmans Vater in einem Brief mit, dass sein Sohn eine Prüfung geschwänzt habe. Der Professor erwiderte: „Ab morgen haben Sie die Ehre, der Direktor von Ajman al-Sawahiri zu sein. Darauf werden Sie später noch stolz sein.“ 8 Ajman erzielte ohne große Anstrengung immer die besten Noten.
    Während Außenstehende Ajman meist als ernsten jungen Mann kennen lernten, zeigte er zu Hause auch eine verspieltere Seite. „Wenn er lachte, schüttelte es ihn am ganzen Körper - yanni, das kam aus tiefstem Herzen“, erzählte sein Onkel Mahfous Assam, der als Anwalt in Maadi tätig war.
    Ajmans Vater starb 1995. Seine Mutter Umajma lebt noch heute in Maadi, in einer komfortablen Wohnung über einem Geschäft für Haushaltswaren. Sie ist eine wunderbare Köchin und berühmt für ihr kunafa , ein süßes Gebäck aus feinen Teigfäden, das mit Schichten aus Käse und Nüssen gefüllt und mit Orangenblüten-Sirup getränkt wird. Sie entstammte der Land besitzenden Oberschicht und erbte von ihrem Vater mehrere fruchtbare Äcker in Giseh und der Oase Fajum, die ihr ein bescheidenes Einkommen bieten. Ajman und seine Mutter liebten beide die Literatur; sie lernte Gedichte auswendig, die er ihr schickte - häufig Liebeserklärungen an sie.
    Sawahiris Onkel Mahfous, der Patriarch des Assam-Clans, musste feststellen, dass Ajman zwar der medizinischen Tradition der Familie Sawahiri folgte, doch im Grunde der mütterlichen Seite der Familie näher stand: der politischen Seite. Seit der Einberufung des ersten Parlaments in Ägypten, seit mehr als 150 Jahren, saßen immer Vertreter der Familie Assam im Parlament, befanden sich aber stets in der Opposition. Mahfous führte die Widerstandstradition fort und wurde mit 15 Jahren wegen Verschwörung zum Sturz der Regierung sogar eingesperrt. Im Jahr 1945 wurde Mahfous abermals verhaftet, bei einer Razzia gegen Militante nach der Ermordung von Ministerpräsident Ahmed Mahir. „Ich wollte dasselbe tun, was Ajman getan hat“, rühmte er sich.
    Sajid Qutb war 1936 in der dritten Klasse Mahfous Assams Arabisch-Lehrer, und zwischen Qutb und seinem jungen Schützling entstand eine lebenslange Verbindung. Später schrieb Assam Artikel für die Zeitschrift der Muslimbruderschaft, die Qutb in den Anfangsjahren der Revolution herausgab. Dann wurde er Qutbs Anwalt und war einer der letzten Menschen, die ihn vor seiner Hinrichtung gesehen haben. Assam suchte das Gefängniskrankenhaus auf, in dem sich Qutb auf den Tod vorbereitete. Qutb war ruhig und gefasst. Er unterzeichnete eine Vollmacht, durch die er Assam ermächtigte, über sein Eigentum zu verfügen; dann überreichte er ihm seinen persönlichen Koran, in den er eine Widmung geschrieben hatte - ein kostbares Geschenk des Märtyrers.
    Dem jungen Ajman erzählte sein geliebter Onkel Mahfous immer wieder von der Reinheit von Qutbs Charakter und von den Qualen, die er in der Haft erdulden musste. Die Wirkung dieser Geschichten zeigte sich bei einem Ereignis, das irgendwann Mitte der sechziger Jahre stattfand, als Ajman und sein Bruder Mohammed nach dem Morgengebet von der Moschee nach Hause gingen. Da hielt der ägyptische Vizepräsident Hussein al-Schaffei mit seinem Wagen am Straßenrand an und bot den Jungen an, sie mitzunehmen. Schaffei war während der Islamistenverfolgung 1954 als Richter tätig gewesen. Die Sawahiri-Jungen hatten nur selten die Gelegenheit, in einem Auto zu fahren, schon gar nicht

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