Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
auf dem Stewart Airport in Newburgh (New York), von wo aus er in einem FBI-Hubschrauber ins Metropolitan Correctional Center an der Federal Plaza in Lower Manhattan gebracht wurde. „Zwei riesige Männer trugen ihn aus dem Flugzeug. Er war gefesselt und hatte die Augen verbunden“, erinnerte sich Schiliro. „Als wir im Hubschrauber am Hudson River entlangflogen, fragte mich einer der Typen von der SWAT (Special Weapons and Tactics, Spezialeinheiten der Polizei für besonders gefährliche Einsätze): ¸Können wir ihm die Augenbinde abnehmen? ‘Es dauerte eine Minute, bis sich Jussefs Augen an das Licht gewöhnt hatten. Ironischerweise flogen wir gerade am World Trade Center vorbei. Der Mann von der SWAT stieß ihn an und sagte: ¸Siehst du, es steht noch.‘Und Jussef antwortete: ¸Es würde nicht mehr stehen, wenn wir mehr Geld hätten.‘ “
Doch da es weiterhin stand, war das World Trade Center zu einem Symbol des Erfolgs der Joint Terrorism Task Force (JTTF) von New York geworden, in der FBI, CIA, die New Yorker Polizei, die Hafenbehörde und mehrere andere regionale und Bundesbehörden zusammenarbeiteten. Im September 2000 entschloss sich die JTTF dazu, ihren 20. Jahrestag genau dort, im berühmten Bankettsaal des Restaurants Windows on the World im 106. Stockwerk des WTC, zu feiern. Einige der Anwesenden wirkten in Abendgarderobe ein wenig unbeholfen, aber dies war ein Abend, an dem sie einander mit gutem Recht gratulieren durften. Bürgermeister Rudy Giuliani, ein ehemaliger Bundesanwalt für den Southern District von New York, war ebenso gekommen wie Mary Jo White, seine Nachfolgerin in der Staatsanwaltschaft. Sie lobte die Taskforce für deren „nahezu makellose Bilanz erfolgreicher Untersuchungen und Verurteilungen“, die unter anderem Jussef und sechs weitere Beteiligte des Bombenanschlags auf das World Trade Center sowie Scheich Omar Abdul Rahman und neun seiner Gefolgsleute, die geplant hatten, öffentliche Amtsträger zu ermorden und Wahrzeichen der Stadt in die Luft zu sprengen, hinter Gitter gebracht hatten. Die Gäste der Feier waren Zeugen geworden, wie sich der Terrorismus verändert hatte seit den relativ unschuldigen Tagen der kroatischen Nationalisten und der kubanischen Castrogegner, die eher an Publicity als am Terror interessiert gewesen waren. Mittlerweile galt im Terrorismus die ernüchternde Maxime des gezielten Massenmordes.
Es war eine neblige Nacht, und die Wolken trübten den Blick aus dem 106. Stockwerk des Turms. O’Neill schlenderte scheinbar entspannt durch den Raum, obwohl sich manch einer unter den Anwesenden möglicherweise fragte, warum er nicht auf der Liste der von Mary Jo White namentlich gewürdigten FBI-Beamten gestanden hatte. Mark Rossini, der neue Vertreter der I-49 bei der Alec Station, war ebenfalls gekommen; er hatte sich gerade verlobt und stellte dem von ihm verehrten Chef seine zukünftige Frau vor. Rossini war einer von Johns „Söhnen“. Er beobachtete alles, was O’Neill tat, genau: Er kannte Johns Lieblingszigarren und seine Restaurants, ja er kleidete sich sogar wie sein Vorbild. Rossini ahnte nicht, dass die Karriere seines Mentors einen weiteren herben Rückschlag erlitten hatte.
Zwei Monate zuvor war es zu einem beunruhigenden Vorfall gekommen. O’Neill hatte im Juli an einer verpflichtenden Vorruhestandskonferenz in Orlando teilgenommen. Er hatte nicht die Absicht, aus dem aktiven Dienst auszuscheiden, und war gereizt, weil man ihn zur Teilnahme gezwungen hatte, aber da die Konferenz in Florida stattfand, hatte er Valerie James eingeladen, ihn zu begleiten und mit ihm ein Wochenende in Miami zu verbringen.
Während der Konferenz erhielt O’Neill eine Nachricht auf seinem Pager und verließ den Raum, um den Anruf zu erwidern. Als er einige Minuten später zurückkehrte, waren die anderen Agenten bereits in die Mittagspause aufgebrochen. Sein Aktenkoffer war nicht mehr da. O’Neill rief zunächst die örtliche Polizei und anschließend Mawn an. Er gab zu, einige vertrauliche E-Mails und ein sehr wichtiges Dokument in dem Koffer aufbewahrt zu haben, nämlich den Jahresbericht seiner Außenstelle, in dem sämtliche für die nationale Sicherheit bedeutsamen Operationen in New York aufgeschlüsselt waren. Man würde sowohl den Direktor des FBI als auch die Justizministerin benachrichtigen müssen.
„Das ist entsetzlich“, sagte O’Neill bei der Rückkehr ins Hotelzimmer zu Valerie. Er war kreidebleich.
Die Polizei fand den Aktenkoffer
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