Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
hatte ihn wegen seiner Arabischkenntnisse in die Einheit geholt, aber er lernte bald Soufans Eigeninitiative, seinen Einfallsreichtum und seinen Mut schätzen. Als das Flugzeug in Aden landete, wurden die Agenten auf dem Rollfeld von Mitgliedern einer jemenitischen Sondereinheit erwartet, die gelbe Uniformen und alte russische Helme trugen und ihre AK-47 auf das Flugzeug gerichtet hatten. Die nervösen Mitglieder des Eingreiftruppe, die eigentlich auf Geiselbefreiungen spezialisiert und nun zum Schutz der Ermittler mitgeschickt worden war, brachten im Gegenzug sofort ihre M4-Sturmgewehre und Handfeuerwaffen in Anschlag. Soufan begriff, dass es ein Blutbad geben würde, wenner nicht rasch handelte.
Er öffnete die Tür des Flugzeugs. Einer der Männer in gelben Uniformen hatte ein Funkgerät in der Hand. Soufan ging geradewegs auf ihn zu, und die Gewehrläufe richteten sich auf ihn. Er hatte eine Wasserflasche bei sich. Die Temperatur in der Sonne lag bei 43 Grad, und die jemenitischen Soldaten welkten hinter ihren Waffen dahin.
„Sie sehen durstig aus“, sagte Soufan auf Arabisch zu dem Offizier mit dem Walkie-Talkie und reichte ihm das Wasser.
„Ist das amerikanisches Wasser?“, fragte der Offizier.
Soufan versicherte ihm, dass es so sei, und im Flugzeug gäbe es Wasser für alle seine Männer. In den Augen der Soldaten war dieses Wasser ein derart kostbares Gut, dass einige von ihnen es nicht einmal anrührten.
Diese einfache Geste der Freundlichkeit genügte, um die Soldaten dazu zu bewegen, die Waffen herunterzunehmen. Soufan hatte die Situation unter Kontrolle gebracht.
Es verwirrte O’Neill ein wenig, dass die Soldaten salutierten, als er aus dem Flugzeug stieg.
„Ich habe ihnen gesagt, dass Sie ein General sind“, vertraute ihm Soufan an.
Eines der ersten Dinge, die O’Neill auffielen, war ein Schild der Bin Ladin Group International. Das Unternehmen war eine Tochtergesellschaft der saudischen Binladen Group, die mit dem Wiederaufbau des im Bürgerkrieg beschädigten Flughafens beauftragt war. Dies war ein kleiner Hinweis darauf, dass sein Gegner hier Heimvorteil hatte.
O’Neill hatte sich bereits mit dem Land beschäftigt. Er las ein Buch von Tim Mackintosh-Smith mit dem Titel Yemen: The Unknown Arabia. Darin erfuhr er, dass die Hauptstadt Sanaa für sich in Anspruch nahm, die erste Stadt der Welt gewesen zu sein, und dass Hadramaut, Bin Ladens Heimatregion, soviel wie „Der Tod ist gekommen“bedeutete. Er unterstrich diese Informationen mit seinem Montblanc-Kugelschreiber, etwas, was er beim Lesen immer tat. Er war entschlossen, sich nicht von der Fremdartigkeit dieses Ortes überwältigen zu lassen.
Doch wie sich schnell herausstellen sollte, war sein eigentlicher Widersacher die Botschafterin seines eigenen Landes: Barbara Bodine hatte vor zwei Jahre persönlich jene Vereinbarung zwischen den Vereinigten Staaten und dem Jemen ausgehandelt, die amerikanischen Kriegsschiffen das Auftanken im Hafen von Aden ermöglichte. Nun hatte es den Anschein, als wäre das ein verhängnisvoller Fehler gewesen. O’Neill traf die Botschafterin um sechs Uhr morgens am Tag nach seiner Ankunft. Er erklärte in seinem New Jersey-Akzent, er freue sich auf die Zusammenarbeit mit ihr in „Yay-man“.
„Je-men“, korrigierte sie kühl.
So wie O’Neill es sah, wimmelte es im Jemen von Dschihadis, und die Nachwehen des Bürgerkriegs waren allenthalben zu spüren. „Im Jemen gibt es 18 Millionen Menschen und 50 Millionen Maschinengewehre“, erzählte er später. Die Ermittler wurden immer wieder von Schussgeräuschen aufgeschreckt. Die Temperatur kletterte oft auf beinahe 50 Grad im Schatten, und die Skorpione waren so verbreitet wie die Zimmerfliegen. Zudem trieben sich im Jemen ungezählte mit Abhörgeräten ausgerüstete Spione herum. Eine der größten Zellen von Sawahiris al-Dschihad operierte in diesem Land, und es gab hier zahlreiche AfghanistanVeteranen, die mit Bin Laden gekämpft hatten. Als der Rest von O’Neills Team eintraf, warnte er sie: „Dies hier ist möglicherweise die feindseligste Umgebung, in der das FBI je gearbeitet hat.“
Bodine hingegen betrachtete den Jemen als einen vielversprechenden Verbündeten der USA in einer unruhigen, aber strategisch bedeutsamen Weltregion. Das Land war eine junge Demokratie, es war sehr viel toleranter als seine Nachbarländer und hatte sogar den Frauen das Wahlrecht zugestanden. Anders als O’Neill hatte die Botschafterin schon an vielen
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