Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
auf den Jungen aufpasste. „Wenn sie so ihre Zeugen behandeln, die kooperieren,“, stellte O’Neill fest, „kann man sich vorstellen, wie sie mit den widerspenstigen umgehen.“
O’Neill bekam auch das Haus zu sehen, in dem die Attentäter gewohnt hatten. Es war sauber und aufgeräumt. Im Schlafzimmer lag ein nach Norden in Richtung Mekka ausgerichteter Gebetsteppich. Das Waschbecken im Badezimmer war übersät mit Körperhaaren, die sich die Männer abrasiert hatten, bevor sie in den Tod gegangen waren. Die Ermittler versuchten sich die feierliche Szene der rituellen Waschung und der letzten Gebete vorzustellen.
Die Zusammenarbeit funktionierte weiterhin nur sehr schleppend. „In dieser Untersuchung beißen wir auf Granit“, gab General Nadschi zu. „Wir Araber sind sehr halsstarrig.“
Ali Soufan nahm ihn auf den Arm: „Sie haben es hier mit einem anderen Araber zu tun, und ich bin auch sehr halsstarrig.“
Als Soufan ihm diesen Wortwechsel übersetzte, erklärte O’Neill, die Araber könnten sich an Sturheit nicht mit den Iren in seiner Abteilung messen. Er erzählte eine Geschichte über den O’Neill-Clan in Irland, dessen Männer in dem Ruf stünden, die stärksten im ganzen Land zu sein. Jedes Jahr fand ein Bootsrennen zu einem großen Felsen inmitten eines Sees statt, und die O’Neills gewannen den Wettkampf jedes Jahr. Doch einmal ruderte ein anderer Clan schneller und zog dem Boot der O’Neills davon. Der Sieg schien ihm nicht mehr zu nehmen zu sein. „Doch da nahm mein Urgroßvater sein Schwert“, erzählte O’Neill, „hackte sich die Hand ab und warf sie auf den Felsen. Haben Sie irgendetwas Vergleichbares vorzuweisen?“
Soufan und der General sahen einander an. „Wir sind stur“, sagte Soufan, „aber wir sind nicht verrückt.“
EINES DER PROBLEME der Ermittler war, dass die Cole zu sinken drohte. Die Ingenieure der Marine versuchten alles, um dem Schiff dieses würdelose Ende zu ersparen. Schließlich traf ein immenses norwegisches Schwertransportschiff ein, dessen Mitteldeck so gebaut war, dass es untertauchen und Bohrplattformen anheben konnte. Die MV Blue Marlin nahm die angeschlagene Cole Huckepack und trat mit ihr die lange Heimreise an. Als das Schiff den Hafen von Aden verließ, schallte aus den Lautsprechern an Bord die amerikanische Nationalhymne, trotzig gefolgt von Kid Rocks „American Bad Ass“.
Die FBI-Agenten fühlten sich derart bedroht, dass sie oft in ihrer Kleidung schliefen, ihre Waffen neben sich. Die Ermittler erfuhren von einem Mechaniker, dass ein ähnliches Fahrzeug wie jenes, das die Attentäter verwendet hatten, in seine Werkstatt gebracht worden war, um Metallplatten zu installieren. Die Platten waren so angeordnet worden, dass sie geeignet waren, eine Explosion in eine bestimmte Richtung zu lenken. Das verlockendste Ziel für eine solche Bombe war zweifellos das Hotel, in dem die Amerikaner untergebracht waren.
Bodine hielt diese Ängste für übertrieben. Die Agenten betrachteten alle Welt mit Misstrauen, erklärte die Botschafterin, sogar das Hotelpersonal. Sie versicherte O’Neill, die Schüsse, die er oft in der Nähe des Hotels hörte, würden wahrscheinlich nicht den Beamten gelten, sondern seien eher der Lärm von Hochzeitsfeiern. Dann fielen eines Abends, als O’Neill gerade in einer Besprechung mit seinen Mitarbeitern saß, direkt vor dem Hotel Schüsse. Das Geiselbefreiungsteam ging in Stellung. Einmal mehr wagte sich Soufan hinaus, um mit den jemenitischen Soldaten auf der Straße zu sprechen.
O’Neill kam die Treppen hinuntergelaufen, um sicher zu gehen, dass Soufan seine kugelsichere Weste trug. „Hey, Ali! Sei vorsichtig! “, rief er. Die Enttäuschungen, der Stress, die Gefahren und die erzwungene Nähe hatten die beiden zusammengeschweißt. O’Neill bezeichnete Soufan mittlerweile als seine „Geheimwaffe“. Gegenüber den Jemeniten sprach er einfach von „meinem Sohn“.
Die Scharfschützen gaben Soufan Deckung, als er aus dem Hotel schlenderte. Der wachhabende jemenitische Offizier versicherte ihm, dass alles „okay“sei.
„Wenn alles okay ist, warum sind dann keine Autos auf der Straße?“, fragte Soufan.
Der Offizier antwortete, es finde wohl eine Hochzeit in der Nähe statt. Soufan sah sich um: Das Hotel war von Männern in traditionellen Gewändern umringt, die teilweise in Jeeps saßen und allesamt Waffen trugen. Dies waren Zivilisten, keine Soldaten. Soufan musste an die Stammesrevolte in Somalia
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