Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
sei im Verhörraum gewesen, als ein weiterer Gefangener hereingebracht wurde, der an Händen und Füßen gefesselt war. Der Vernehmungsleiter wollte, dass Sawahiri seine Beteiligung an der Ermordung Sadats gestand. Als der andere Gefangene sagte: „Wie können Sie erwarten, dass er gesteht, wenn er weiß, dass darauf die Todesstrafe steht?“, erwiderte Sawahiri: „Die Todesstrafe ist gnädiger als die Folter.“
DER PROZESS zog sich drei Jahre hin. Manchmal wurde täglich verhandelt, dann verging mehr als ein Monat, bis die Angeklagten wieder in den Gerichtssaal gebracht wurden. Da sie verschiedenen Gruppen angehörten, lernten viele sich erst im Gefängnis kennen. Sie begannen Absprachen zu treffen. Während einige vom Wiederaufbau ihrer Organisationen sprachen, gab es unter den Häftlingen auch Diskussionen über die ernüchternde Tatsache, dass so viele von ihnen verhaftet worden waren und die Bewegung so schnell aufgeflogen war. „Wir sind besiegt worden und haben verloren“, schrieb Sawahiri an einen seiner Mitgefangenen. 47 Sie unterhielten sich tagelang darüber, weshalb die Untergrundaktionen gescheitert waren und was sie hätten anders machen müssen. „Ajman erzählte mir, dass er gegen das Attentat war“, erinnerte sich Montassir al-Sajat, sein Mithäftling und Biograf. „Er glaubte, man hätte warten und das Regime durch einen Militärputsch schlagartig beseitigen sollen. Er war nicht blutrünstig.“
Durch seine Erziehung, seinen familiären Hintergrund und seinen relativen Wohlstand hob sich Sawahiri von den Mitgefangenen ab. Regelmäßig brachte ihm ein Fahrer Nahrungsmittel von seiner Familie, die Sawahiri unter den anderen Häftlingen verteilte. 48 Er half auch im Gefängniskrankenhaus aus.
In der Haft kam Sawahiri auch mit Scheich Omar Abd ar-Rahman in Kontakt, dem wohl bekanntesten ägyptischen Islamisten, der ebenfalls der Beteiligung am Mordkomplott gegen Sadat bezichtigt wurde. Der sonderbare, willensstarke Mann, der in seiner Kindheit infolge von Diabetes erblindet war, aber eine kräftige, mitreißende Stimme besaß, hatte sich in den islamistischen Kreisen einen Namen gemacht durch seine wortgewaltige Kritik an Nasser, der ihn acht Monate ohne Anklage in den Kerker werfen ließ. Nach dem Tod Nassers wuchs der Einfluss des blinden Scheichs enorm, vor allem in Oberägypten, wo er Theologie am Asjut-Institut der al-Azhar-Universität lehrte. Er gewann viele Studenten als Anhänger und stieg zum Führer der Islamischen Vereinigung auf. Einige der jungen Islamisten finanzierten ihre Aktionen durch Überfälle auf koptische Christen, die ungefähr zehn Prozent der Bevölkerung Ägyptens ausmachten, aber einen Großteil der Ladenbesitzer und kleinen Geschäftsleute stellten. Mehrmals stürmten die jungen Radikalen koptische Hochzeiten und raubten die Gäste aus. Die Theologie des Dschihad erfordert eine Fatwa, ein religiöses Rechtsgutachten, um Aktionen zu legitimieren, die sonst als kriminelle Handlungen gelten würden. Scheich Omar erstellte bereitwillig Fatwen, in denen die Ermordung von Christen und die Plünderung koptischer Juweliergeschäfte gutgeheißen wurden unter der Voraussetzung, dass zwischen Christen und Muslimen Krieg herrschte.
Als Sadat schließlich gegen die Islamisten vorging, emigrierte der blinde Scheich für drei Jahre nach Saudi-Arabien und in andere arabische Länder, wo er wohlhabende Förderer für seine Sache fand. Als er 1980 nach Ägypten zurückkehrte, war er nicht mehr nur spiritueller Ratgeber der Islamischen Vereinigung, sondern auch ihr Emir. In einer seiner ersten Fatwen verkündete Scheich Omar, dass ein vom Glauben abgefallener politischer Führer zu Recht von den Gläubigen umgebracht werden dürfe. In der Verhandlung über seine Beteiligung an der Ermordung Sadats gelang es seinem Anwalt, das Gericht davon zu überzeugen, dass sein Mandant mit dem Komplott nur am Rande etwas zu tun gehabt habe, da er in seiner Erklärung den ägyptischen Staatspräsidenten nicht namentlich genannt habe. Ein halbes Jahr nach seiner Verhaftung kam der Scheich wieder auf freien Fuß.
Die Mitglieder der beiden wichtigsten islamistischen Organisationen al-Dschihad und Gamaa Islamija verfolgten zwar das gemeinsame Ziel, die Regierung zu stürzen, hatten jedoch große ideologische und taktische Differenzen. Der blinde Scheich predigte, dass die gesamte Menschheit den Islam annehmen könne, und begnügte sich mit der Verbreitung seiner Botschaft. Sawahiri war
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