Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
gänzlich anderer Meinung. Da er den Massen misstraute und alle anderen Glaubensrichtungen verachtete, die von seiner Auffassung des Islams abwichen, agierte er lieber im Verborgenen und eigenständig, bis der richtige Augenblick gekommen war und seine Gruppe die Macht ergreifen und ihre totalitäre religiöse Vision in die Praxis umsetzen würde.
Gamaa Islamija und al-Dschihad hatten unter der Führung von Scheich Omar zusammengearbeitet, doch einige Leute aus al-Dschihad, darunter Kamari und Sawahiri, wollten einen der Ihren an der Spitze sehen. Im Kairoer Gefängnis führten die Mitglieder der beiden Organisationen hitzige Debatten darüber, wie am ehesten eine wahre islamische Revolution durchzuführen sei, und stritten endlos darüber, wer sich am besten als Führer eigne. Sawahiri wies darauf hin, dass laut der Scharia der Emir nicht blind sein dürfe. 49 Scheich Omar erwiderte, dass der Emir der Scharia zufolge auch kein Gefangener sein dürfe. Die Rivalität der beiden Männer spitzte sich zu. Sajat versuchte Sawahiri bei seinen Angriffen auf den Scheich zu bremsen, doch Sawahiri wollte nicht zurückstecken. Dies führte schließlich zum Bruch zwischen der Gamaa Islamija und al-Dschihad.
SAWAHIRI wurde wegen Waffenhandels zu drei Jahren Haft verurteilt, die er bis zum Ende des Prozesses schon fast abgesessen hatte. Möglicherweise als Gegenleistung für seine Bereitschaft, gegen andere Angeklagte auszusagen, ließ die Regierung weitere Anklagepunkte gegen ihn fallen.
Nach seiner Entlassung 1984 war Sawahiri ein verhärteter, zu allem entschlossener Radikaler mit festgefügten Überzeugungen. Saad Eddin Ibrahim, ein bekannter Soziologe an der Amerikanischen Universität in Kairo, unterhielt sich mit Sawahiri kurz nach dessen Entlassung und bemerkte an ihm ein ausgeprägtes Misstrauen und einen überwältigenden Drang nach Rache, der kennzeichnend ist für Männer, die im Gefängnis misshandelt worden sind. Vielleicht hatte die Folter bei diesen sehr religiösen Männern auch noch andere Auswirkungen. Viele von ihnen berichteten, dass sie Visionen hatten, nachdem sie gefoltert worden waren: Sie wurden von den Heiligen im Paradies empfangen und sahen die gerechte islamische Gesellschaft vor sich, die durch ihr Märtyrertum ermöglicht wurde. 50
Ibrahim hatte in den siebziger Jahren eine Untersuchung über politische Gefangene in Ägypten durchgeführt. Er stellte fest, dass die Anhänger der Islamisten meist junge Männer waren, die aus den Dörfern zur Schulausbildung in die Stadt gekommen waren. Mehrheitlich handelte es sich um Söhne von kleinen und mittleren Beamten. Sie waren sehr ehrgeizig und interessierten sich für Naturwissenschaften und Ingenieurwesen, Fächer, zu denen nur die begabtesten Studenten zugelassen wurden. Das waren nicht die entfremdeten, marginalisierten Jugendlichen, die ein Soziologe möglicherweise erwartete. Vielmehr waren es „modellhafte junge Ägypter. Sie waren indes nicht typisch, weil sie sich vom Durchschnitt ihrer Generation deutlich abhoben“. 51 Ibrahim führte die Rekrutierungserfolge der militanten islamistischen Gruppen darauf zurück, dass sie den Gedanken der Brüderlichkeit und der Gemeinschaft betonten und spirituelle Hilfestellung boten, was den Zuwanderern vom Lande eine „weiche Landung“in der Stadt ermöglichte.
Sawahiri, der die Studie im Gefängnis gelesen hatte, widersprach diesen Schlussfolgerungen heftig. Er behauptete, die jungen Leute würden von den Idealen des Islams angezogen werden, nicht davon, dass ihnen die islamischen Gruppen die Erfüllung ihrer sozialen Bedürfnisse versprachen. „Sie haben durch Ihre weltliche Analyse unsere Bewegung auf eine triviale Ebene herabgezogen“, warf er Ibrahim vor. „Möge Gott sich Ihrer erbarmen.“ 52
Ibrahim reagierte auf Sawahiris Kritik mit einer alten arabischen Redensart: „Jeder, der etwas versucht, wird belohnt. Wenn er es richtig macht, erhält er eine doppelte Belohnung. Doch wenn er scheitert, wird er für den Versuch belohnt.“
Sawahiri lächelte und erwiderte: „Sie bekommen eine einfache Belohnung.“
Dr. Sawahiri nahm seine Tätigkeit als Arzt wieder auf. Doch er machte sich Sorgen wegen der möglichen Folgen seiner Aussage im Folterprozess gegen die Angehörigen der Geheimdiensteinheit 75. 53 Er erwog, sich um eine Chirurgenstelle in England zu bewerben. 54 Es gelang ihm, an der Klinik Ibn al-Nafis in Saudi-Arabien eine Anstellung zu erhalten, obwohl ihm die ägyptische
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