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Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007

Titel: Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Wright
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eines islamischen Staates näher zu kommen. Aber vielleicht gab es in der turbulenten Phase nach dem Anschlag doch noch eine Möglichkeit, den großen Plan in die Tat umzusetzen. Essam al-Kamari tauchte aus seinem Versteck auf und bat Sawahiri, ihn mit der Gruppe bekannt zu machen, die das Attentat ausgeführt hatte. 39 Gegen zehn Uhr abends, nur acht Stunden nach der Ermordung Sadats, trafen sich Sawahiri und Kamari mit Aboud al-Sumar in einem Auto vor der Wohnung, in der sich Kamari versteckte. Kamari wartete mit einem tollkühnen Vorschlag auf, der die Chance beinhaltete, die gesamte Regierung und zugleich viele ausländische Staatsführer zu beseitigen: ein Anschlag bei Sadats Begräbnis. Sumar erklärte sich dazu bereit und bat Kamari, ihm zehn Sprengsätze und zwei Gewehre zu besorgen. Schon am nächsten Tag trafen sich die drei wieder. Kamari brachte die Waffen und mehrere Schachteln Munition mit. Unterdessen hatte die Regierung, an deren Spitze nun Husni Mubarak stand, Tausende mutmaßlicher Verschwörer verhaften lassen. Auch Aboud al-Sumar wurde festgenommen, bevor der Plan ausgeführt werden konnte.
    Sawahiri musste gewusst haben, dass auch sein Name mit dem Attentat in Verbindung gebracht werden würde, aber dennoch tauchte er nicht unter. Am 23. Oktober packte er seine Koffer für eine weitere Reise nach Pakistan. Er verabschiedete sich von einigen Verwandten. Sein Bruder Hussein fuhr ihn zum Flughafen, als die Polizei sie auf der Uferstraße Corniche al-Nil anhielt. „Sie brachten Ajman unter strenger Bewachung zur Polizeistation in Maadi“, erinnerte sich sein Cousin Omar Assam. „Der Leiter der Polizeistation versetzte ihm einen Schlag ins Gesicht - und Ajman schlug zurück!“Für die Familie war dieser Vorfall eine große Überraschung, nicht nur wegen der unverfrorenen Reaktion Ajmans, sondern weil er nach ihrer Kenntnis bis zu diesem Augenblick noch nie handgreiflich geworden war. Schnell wurde Sawahiri unter den übrigen Gefangenen als jener Mann bekannt, der zurückschlug.
     
    DIE WÄCHTER zwangen die neu eingelieferten Häftlinge, sich nackt auszuziehen, verbanden ihnen die Augen, legten ihnen Handschellen an und verprügelten sie mit Stöcken. Gedemütigt, verschüchtert und orientierungslos, wurden die Gefangenen dann in enge Zellen aus Felsgestein gesteckt, in die nur durch ein winziges rechteckiges Fenster in der Eisentür etwas Licht fiel. Der Kerker war im 12. Jahrhundert durch den berühmten kurdischen Eroberer Saladin errichtet worden, der ihn von gefangen genommenen Kreuzrittern hatte erbauen lassen. Er gehörte zur Zitadelle, einer massiven Festung über Kairo, die 700 Jahre lang als Sitz des Gouverneurs gedient hatte. 40
    Die Schreie der Mithäftlinge bei den Verhören brachten viele Männer an den Rand des Wahnsinns, auch wenn sie selbst nicht gefoltert wurden. Wegen seiner sozialen Stellung wurde Sawahiri häufig geschlagen und anderen ausgeklügelten, sadistischen Bestrafungen unterworfen, die sich die Geheimdiensteinheit 75 ausgedacht hatte, die ägyptischen Verhörspezialisten.
    Es gibt die These, dass die amerikanische Tragödie vom 11. September 2001 in den ägyptischen Gefängnissen ihren Anfang nahm. Menschenrechtler in Kairo vertreten die Auffassung, dass die Folter das Verlangen nach Rache schürte, zuerst bei Sajid Qutb und später bei dessen Gefolgsleuten wie Ajman al-Sawahiri. Der Zorn der Gefangenen galt in erster Linie der weltlichen Regierung Ägyptens, doch die Wut richtete sich zum großen Teil auch gegen den Westen, der als Unterstützer und Förderer des Regimes betrachtet wurde. Der Westen wurde verantwortlich gemacht für die Zersetzung und Demütigung der islamischen Gemeinschaft. Der Aspekt der Demütigung, der den Kern der Folter bildet, ist auch wichtig zum Verständnis der Erbitterung der radikalen Islamisten. Die Gefängnisse Ägyptens wurden so zu einer Brutstätte für militante Kämpfer, deren Drang nach Vergeltung - sie sprachen von Gerechtigkeit - unstillbar wurde.
    Montassir al-Sajat, ein islamistischer Anwalt, der zusammen mit Sawahiri im Gefängnis saß und später dessen Rechtsvertreter und Biograf wurde - er verfasste eine vernichtende Biografie mit dem Titel Ajman al-Sawahiri, wie ich ihn kannte, die später auf Druck von Sawahiris Freunden von seinem Kairoer Verlag zurückgezogen wurde -, stellte die Behauptung auf, dass Sawahiri, bis dahin ein relativ gemäßigtes Mitglied von al-Dschihad, erst aufgrund seiner traumatischen Erlebnisse im

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