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Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007

Titel: Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Wright
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Regierung für drei Jahre untersagt hatte, das Land zu verlassen. Sawahiri beschaffte sich ein Touristenvisum für Tunesien, vielleicht unter Vorlage eines gefälschten Passes. 55 Offensichtlich wollte er nicht mehr zurückkehren. Er hatte sich nach der Entlassung den Bart abrasiert, was signalisierte, dass er seine Untergrundarbeit wieder aufnehmen wollte.
    Bei seiner Abreise traf er am Flughafen in Kairo seinen Freund Abdallah Schleifer. „Wohin fliegen Sie?“, fragte ihn Schleifer.
    „Nach Saudi-Arabien“, vertraute ihm Sawahiri an. Er wirkte glücklich und entspannt.
    Die beiden Männer umarmten sich. „Hören Sie, Ajman, halten Sie sich aus der Politik heraus“, riet ihm Schleifer.
    „Das werde ich tun!“, erwiderte Sawahiri. „Das werde ich tun!“

3 DER GRÜNDER
    Mit 34 Jahren war Dr. Ajman al-Sawahiri eine beeindruckende Persönlichkeit. Mehr als die Hälfte seines politischen Lebens hatte er sich als Revolutionär betätigt und als Führer einer islamistischen Untergrundzelle. In endlosen Debatten im Gefängnis hatte er seine politischen Fertigkeiten geschult und war nun ein gefestigter, erbitterter und entschlossener Kämpfer.
    Nach Angaben des saudischen Geheimdienstes reiste er 1985 mit einem Pilgervisum in das Königreich ein und beschaffte sich dort eine Arbeitserlaubnis. 1 Ungefähr ein Jahr lang arbeitete er am Krankenhaus Ibn al-Nafis in Dschidda. Sawahiris Schwester Heba, eine Onkologie-Professorin an der Universität Kairo, erzählte, dass er in dieser Zeit die erste Teilprüfung für eine Chirurgenstelle ablegte, die er in England anstrebte. Seine Mutter und andere Familienangehörige glaubten, er werde schließlich wieder nach Kairo zurückkehren, weil er weiterhin Miete für seine Praxis in Maadi bezahlte. Auch sein Bruder Mohammed hielt sich in Saudi-Arabien auf und arbeitete in Medina als Architekt.
    Sawahiris Anwalt und früherer Mithäftling Montassir al-Sajat kam auf seiner Reise nach Mekka durch Dschidda und erlebte Sawahiri ernst und bedrückt. „Die Narben, die er von den unbeschreiblichen Folterungen davongetragen hatte, bereiteten ihm keine Schmerzen mehr“, schrieb Sajat später, „doch sein Herz litt noch immer darunter.“ 2 Nach Sajats Ansicht war Sawahiri aus Ägypten geflohen, weil ihn wegen des Verrats an seinen Freunden Gewissensbisse plagten und er dadurch den Anspruch auf die Führung von al-Dschihad eingebüßt habe. Er suchte nach einem Ort, wo er sich von dieser Schuld befreien und wo die radikale islamistische Bewegung einen Brückenkopf errichten konnte. 3 „Die Lage in Ägypten hatte sich zugespitzt“, schrieb Sawahiri später, „man kann auch sagen, sie war explosiv geworden.“ 4
    Dschidda ist der wirtschaftliche Mittelpunkt des saudi-arabischen Königreiches, über seinen Hafen gelangen die Millionen Pilger ins Land, die jährlich nach Mekka ziehen. Jeder erwachsene Muslim ist verpflichtet, diese Pilgerfahrt, die Hadsch, mindestens einmal in seinem Leben zu absolvieren, sofern er gesundheitlich dazu in der Lage ist. Einige der Wallfahrer, die in der Stadt blieben, wurden zu Begründern großer Kaufmanns- und Bankiersdynastien - darunter Bin Mahfous, Aliresa und Kaschoggi. Ihre Wurzeln reichen bis zu den Einwanderern aus dem Jemen, Persien und der Türkei zurück. Aufgrund dieses kosmopolitischen Erbes unterschied sich die Stadt vom kulturell und ethnisch abgeschlossenen Landesinneren. Hier in Dschidda spielten die Familien, nicht die Stämme die Hauptrolle, und zu der Hand voll von Namen, die den Ton angaben, gehörte auch die Familie Bin Laden.
    Sajat behauptet, dass sich Sawahiri und Bin Laden in Dschidda zum ersten Mal begegneten, was durchaus wahrscheinlich ist. 5 Sawahiri war vor seiner Haft bereits zweimal in Afghanistan gewesen und wollte so schnell wie möglich wieder dorthin zurückkehren. Der Weg nach Afghanistan führte unmittelbar durch Bin Ladens Wohnung. Jeder, der Geld spendete oder sich für den Dschihad anwerben lassen wollte, kannte den unternehmungslustigen jungen Saudi. Doch in Anbetracht der kleinen, überschaubaren Welt, in der sich der heilige Krieg abspielte, mussten sich die beiden früher oder später ohnehin über den Weg laufen.
     
    DER NAME DSCHIDDA bedeutet auf Arabisch „Großmutter“, und der Überlieferung zufolge bezieht sich der Name auf Eva, die Stammmutter der Menschheit, die auf einem weitläufigen, ummauerten Gelände in der Nähe des Arbeiterviertels beigesetzt worden sein soll, in dem Osama Bin Laden

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