Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
nur Saudis, sondern auch Jemeniten, Kuwaiter, Ägypter und sogar einige amerikanische Black Muslims. 15 In den Wochen vor der Hadsch hatten sie aus einem Waffenlager der Nationalgarde automatische Waffen entwendet 16 und auf Totenbahren, auf denen üblicherweise Verstorbene zur rituellen Waschung gebracht wurden, auf das Gelände geschmuggelt. 17 Die Aufständischen hatten ihre Waffen und ihren Proviant in den Hunderten kleiner Kammern unter dem Innenhof versteckt, in denen Pilger eine Bleibe fanden, wenn sie sich zurückziehen wollten. Nun waren diese Kammern gut befestigt, und die Rebellen hatten Kommandostellen in den oberen Stockwerken der Moschee eingerichtet. Heckenschützen nahmen saudische Soldaten ins Visier, sobald sie sich zeigten.
In den militärischen Befehlsstellen außerhalb der Moschee fanden sich zahlreiche ranghohe Prinzen und Generäle von rivalisierenden Sicherheitsdiensten ein; ihre rücksichtslosen Befehle, begleitet durch eine Vielzahl widersprüchlicher Empfehlungen der Militärattachés aus Amerika und Pakistan, sorgten für Verwirrung und unnötige Opfer. Mitten am Tag befahl Sultan einen selbstmörderischen Hubschrauberangriff, bei dem Soldaten an Seilen in den weiträumigen Innenhof der Moschee hinabgelassen wurden. Sie wurden allesamt niedergemetzelt. Danach beauftragte der König den jungen Prinzen Turki mit der Leitung der Operation.
Die Strategie, die Turki entwarf, zielte darauf, die Zahl der Opfer und die Beschädigung der heiligen Stätte auf ein Minimum zu begrenzen. Zuerst mussten Informationen beschafft werden, und zu diesem Zweck wandte er sich an die Familie Bin Laden. Die Brüder besaßen Karten, Pläne der Stromleitungen und sämtliche technischen Informationen über die Moschee, die für den Angriff, den Turki beabsichtigte, notwendig waren.
Salem Bin Laden, der älteste der Brüder und Chef des Clans, erschien auf der Ladefläche eines Wagens, auf dem ein Maschinengewehr aufgepflanzt war. 18 Salem war ein einzigartiger Mensch, ganz anders als sein frommer, zurückgezogener und wortkarger Vater. Er war im ganzen Land für sein Draufgängertum und seinen schrägen Humor bekannt, Eigenschaften, deretwegen ihn auch der König schätzte, obwohl er gelegentlich Schabernack mit ihm trieb. Einmal, so die Familienlegende, habe er sich einer Hämorrhoiden-Operation unterziehen müssen, von der er eine Videoaufnahme erstellen ließ, die er dem König schickte. In dieser strengen, starren Gesellschaft konnten sich nur wenige Menschen - vielleicht auch niemand sonst - solche derben Späße erlauben. Salem war auch ein tollkühner Pilot, der das Wüstenlager des Königs durch seine Kunststücke am Himmel oft in Aufregung versetzte, bis ihm der König schließlich das Fliegen verbot. Er kam wie sein Vater bei einem Flugzeugabsturz ums Leben, und zwar 1988, als er mit einem Leichtflugzeug bei San Antonio in Texas abstürzte.
Oteibi und seine Leute hatten das Lautsprechersystem der Moschee unter ihrer Kontrolle und nutzten es, um der Welt ihre Botschaft mitzuteilen. Die Regierung versuchte, die Rebellen als eine kleine Gruppe religiöser Fanatiker hinzustellen, die erbost seien wegen der Verbreitung von Videospielen und des Fußballsports, doch Oteibis dreiste Forderungen hallten durch die Straßen Mekkas und elektrisierten die Kaffeehäuser und Schischa-Bars im Land (eine Schischa ist eine Wasserpfeife arabischen Ursprungs).
Oteibi verlangte, zu islamischen Werten zurückzukehren, die diplomatischen Beziehungen zu den westlichen Staaten abzubrechen und die Veränderungen rückgängig zu machen, durch die sich die Gesellschaft der modernen Zeit geöffnet hatte. Das Saudi-Arabien, das diese Männer anstrebten, sollte radikal isoliert sein. Die Königsfamilie sollte entmachtet werden, und es sollte schonungslos offengelegt werden, wie viel Geld sie dem saudischen Volk entwendet hatte. Nicht nur der König, auch die Geistlichkeit, die dessen Herrschaft gestützt hatte, wurde als sündig gebrandmarkt. Die Erdölexporte in die USA sollten eingestellt und alle zivilen und militärischen ausländischen Fachleute von der arabischen Halbinsel vertrieben werden. In diesen Anliegen schienen bereits jene Forderungen auf, die Osama Bin Laden 15 Jahre später erheben sollte.
BIS ZUM FREITAG, dem vierten Tag der Belagerung, brachten die Regierungstruppen die oberen Stockwerke der Großen Moschee und zwei Minarette wieder unter ihre Kontrolle. Doch in den überdachten Gängen rund um die Kaaba
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