Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
wurde immer noch gekämpft, Leichengeruch lag in der Luft. Die Körper der toten Aufständischen waren verstümmelt worden - weibliche Aufständische hatten ihre Gesichter zerschossen -, um eine spätere Identifizierung zu verhindern. Zu den Leichen, die mehr oder weniger unversehrt den Regierungstruppen in die Hände fielen, gehörte auch jene von Mohammed Abdullah al-Kahtani, des selbsternannten Mahdi, dem der Unterkiefer weggerissen worden war. 19 Doch auch der Tod des Mahdi konnte der Rebellion kein Ende setzen.
Gestützt auf Gebäudepläne, die Salem zur Verfügung gestellt hatte, leitete Turki eine Reihe von Erkundungseinsätzen der Spezialkräfte, die durch die zahllosen Türen auf das Gelände vordrangen und die Leichen gefallener Soldaten bargen. Doch Turki wollte sich selbst ein Bild von der Lage machen. Er tauschte seine offizielle Kleidung gegen die Khaki-Uniform eines gewöhnlichen Soldaten, dann betrat er zusammen mit einer Hand voll Männer, unter ihnen sein Bruder Prinz Saud und Salem Bin Laden, die heilige Moschee.
Die langen Arkaden und der weitläufige Innenhof der Moschee waren gespenstisch leer. Turki und seine Begleiter fanden heraus, dass sich der Großteil der Aufständischen in dem Gewirr unterirdischer Gebetsräume verschanzt hatte, die in das Lavagestein unterhalb des Hofes hineingehauen worden waren. Dieser unterirdische Rückzugsraum war leicht zu verteidigen. Die Regierung hatte keine Vorstellung, wie lange die Aufständischen dort würden ausharren können mit den Dattel- und Wasservorräten, die sie in den Lagerräumen angesammelt hatten; ein Angriff auf dieses Labyrinth war nicht ratsam, da es unzählige Möglichkeiten für Hinterhalte bot. Zwei Stunden lang krochen die beiden Söhne Faisals und der älteste Sohn von Mohammed Bin Laden in den unterirdischen Gängen umher und versuchten ausfindig zu machen, wo sich die Rebellen verschanzt hatten und was sie von dort aus sehen konnten. Wenn es der Regierung nicht gelang, die heilige Stätte zu befreien, würde sie das Vertrauen der saudi-arabischen Bevölkerung verlieren. Nichts auf der Welt war den Muslimen heiliger als diese Moschee. Und die war jetzt zu einem unwirklichen Schlachtfeld geworden. Der anfängliche Beschuss hatte bereits großen Schaden angerichtet. Selbst die Tauben hatten Reißaus genommen, wie Turki bemerkte, jene Tauben, die seit jeher die heilige Moschee entgegen dem Uhrzeigersinn umschwirrten. Ihm erschien es, als sei die Verehrung Gottes durch die Natur durch diesen blutigen menschlichen Konflikt unterbrochen worden.
Eine der Ideen, die von den Behörden diskutiert wurde, bestand darin, die unterirdischen Kammern mit Wasser zu fluten und die Personen, die sich dort aufhielten, durch Stromschläge zu töten. Dabei hätte man aber nicht unterscheiden können zwischen den Geiseln und den Geiselnehmern, und außerdem hätte man, wie Turki bemerkte, „das ganze Rote Meer gebraucht, um die Gewölbe zu füllen“. Vorgeschlagen wurde auch, Hunde mit Sprengstoff auf dem Rücken in die Katakomben zu jagen und den Sprenstoff per Fernsteuerung zur Detonation zu bringen.
Angesichts dieser völlig unpraktikablen Ideen hätte es nahe gelegen, sich an die CIA zu wenden, die im nicht weit entfernten Taif die saudischen Sondereinsatzkräfte ausbildete. Doch Turki hatte festgestellt, dass die Franzosen in dringenden Situationen, wenn schnell gehandelt werden musste, unkomplizierter waren als die Amerikaner. Er setzte sich mit dem legendären Spion Graf Claude Alexandre de Marenches in Verbindung, dem damaligen Leiter des französischen Geheimdiensts. De Marenches, ein befehlsgewohnter Mann, riet zum Einsatz von Gas. 20 Turki ließ sich überzeugen, verlangte jedoch, dass es kein tödliches Gas sein dürfe. Die Aufständischen sollten nur betäubt werden. Ein Team aus drei französischen Einsatzkommandos der Groupe d’Intervention de la Gendarmerie Nationale (GIGN) flog nach Mekka. Weil NichtMuslimen der Zugang zur heiligen Stadt verboten ist, traten die Franzosen in einer kurzen, formellen Zeremonie zum Islam über. 21 Die Franzosen pumpten Gas in das unterirdische Gewölbe, aber vielleicht weil die Räume auf sehr verschachtelte Weise miteinander verbunden waren, gelangte das Gas nicht überall hin, und der Widerstand ging weiter.
Während die Zahl der Opfer stieg, bohrten saudische Soldaten Löcher in den Boden des Hofes und warfen Granaten in die darunter befindlichen Räume, wodurch auch viele Geiseln ums Leben kamen.
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