Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
indem er sie zu Staatsangestellten machte. 8 Indem sie die gemäßigten Kräfte förderte, wollte die Regierung den Radikalismus eindämmen, der durch die verstörende Erfahrung der gesellschaftlichen Modernisierung geschürt wurde. Faisals Macht war so groß, dass er der Gesellschaft all diese Veränderungen in einem erstaunlichen Tempo aufzwingen konnte.
Seine Söhne unterstützten ihren Vater bei der Absicherung seiner Machtstellung. Turki wurde Chefspion des Königreiches, und sein älterer Bruder Prinz Saud wurde zum Außenminister ernannt. Mit diesen beiden in Amerika ausgebildeten Prinzen begann sich Saudi-Arabien einen Platz in der Weltgemeinschaft zu erarbeiten. Der märchenhafte Reichtum des Landes machte die Desorientierung, die der rasante Wandel nach sich zog, erträglicher und dämpfte die Wut über die „moralische Verkommenheit“der Königsfamilie; die Schaffung einer gebildeten, gegenüber der modernen Technologie aufgeschlossenen Elite ermöglichte eine vorsichtige Öffnung dieser zutiefst misstrauischen, von religiösem Eifer beseelten Gesellschaft. Doch 1975 wurde König Faisal von einem seiner Neffen ermordet (dem Bruder jenes Mannes, der gegen die Inbetriebnahme des Fernsehsenders protestiert hatte), und mit ihm starb auch diese Hoffnung verheißende Zukunft.
AM FRÜHEN MORGEN des 20. November 1979 erhielt Prinz Turki eine Vorladung von König Chaled, dem Nachfolger seines Vaters. Turki hielt sich zusammen mit Kronprinz Fahd in Tunis bei der arabischen Gipfelkonferenz auf. Turki war 34 Jahre alt und sollte jetzt mit der bislang größten Krise in der kurzen Geschichte Saudi-Arabiens konfrontiert werden.
Bei Tagesanbruch hatte sich der alte Imam der Großen Moschee von Mekka, Scheich Mohammed al-Subajil, darauf vorbereitet, die Gebete der 50 000 Muslime zu leiten, die sich hier zum letzten Tag der Hadsch versammelt hatten. 9 Doch als er ans Mikrofon trat, wurde er zur Seite gestoßen, und Schüsse peitschten durch das Heiligtum. Eine Gruppe von Aufständischen, die sich unter die Gläubigen gemischt hatten, zogen plötzlich Schusswaffen aus ihren Gewändern hervor. Sie verriegelten die Eingänge, sperrten somit die Pilger ein und töteten mehrere Polizisten. „Gebt acht, ihr Muslime!“, schrie ein struppiger Mann mit ungepflegtem Bart. „ Allahu akbar! “- Gott ist groß! - „Der Mahdi ist erschienen!“ 10
„Der Mahdi! Der Mahdi!“, riefen die Bewaffneten.
Es war der Neujahrstag des Jahres 1400 islamischer Zeitrechnung - der blutige Auftakt eines turbulenten neuen Jahrhunderts. Einigen mündlichen Überlieferungen des Islams zufolge soll der Mahdi („der von Gott Geleitete“) kurz vor dem Ende der Welt erscheinen. Im Islam ist die Gestalt des Mahdi umstritten und wird vor allem von der wahhabitischen Strömung angezweifelt, da dieser Erlöser nicht im Koran erwähnt wird. Der Überlieferung zufolge soll der Mahdi ein Nachkomme des Propheten sein und dessen Namen (Mohammed Bin Abdullah) tragen, und er soll während der Hadsch erscheinen. Schließlich werde auch Jesus wiederkehren und seine Anhänger auffordern, sich zum Islam zu bekennen. Gemeinsam würden Jesus und der Mahdi dann den Antichristen bekämpfen und Frieden und Gerechtigkeit auf der Erde wiederherstellen.
Der Mann, der sich als Mahdi ausgab, hieß Mohammed Abdullah al-Kahtani, doch der eigentliche Anführer der Revolte war Dschuhajman al-Oteibi, ein fundamentalistischer Prediger und ehemaliger Unteroffizier der Nationalgarde. Die beiden Männer hatten wegen Anstiftung zum Aufruhr eine Haftstrafe verbüßen müssen, und während dieser Zeit, so behauptete Oteibi, habe ihm Gott in einem Traum enthüllt, dass Kahtani der Mahdi sei.
Kahtani ließ sich durch Oteibis Traum überzeugen, dass er tatsächlich der Auserwählte war. Als die beiden Männer aus dem Gefängnis entlassen wurden, heiratete er Oteibis Schwester. Schon nach kurzer Zeit fanden die beiden mit ihrer messianischen Botschaft Anhänger, vor allem unter den jungen Theologiestudenten der Islamischen Universität in Medina, einem Zentrum der Muslimbruderschaft. Dank reichlicher Spenden wohlhabender Förderer wurden Oteibis Schüler gut bewaffnet und ausgebildet. Einige, wie auch Oteibi selbst, waren Angehörige der saudischen Nationalgarde, die für den Schutz der Königsfamilie zuständig ist. Sie verfolgten das Ziel, die Macht an sich zu reißen und eine theokratische Herrschaft zu errichten, weil sie erwarteten, dass der Weltuntergang kurz
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