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Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007

Titel: Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Wright
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beseelten Männern, die Bin Laden um sich geschart hatte, entstand dadurch jedoch das Gefühl, dass sie in einer übernatürlichen Welt lebten, in der sich die Wirklichkeit vor dem Glauben verneigte. Der Kampf an der Löwenhöhle schuf bei ihnen den Mythos, dass sie die Supermacht besiegt hätten. Wenige Jahre später brach das Sowjetimperium zusammen - es war, wie die Dschihadisten glaubten, an den Schlägen gestorben, die ihm die Muslime in Afghanistan versetzt hatten. Bis dahin hatten sie auch jene Vorhut geschaffen, die den Kampf weitertragen sollte. Al-Qaida entstand aus der Vermählung zweier Überzeugungen: Der Glaube ist stärker als Waffen oder Nationen, und Zutritt zu diesem heiligen Bereich, in dem sich solche Wunder ereignen, erlangt nur der, der bereit ist, sein Leben hinzugeben.

6 DIE OPERATIONSBASIS
    Bis 1986 strömten Millionen afghanischer Flüchtlinge in die pakistanische Nordwestprovinz, deren Hauptstadt Peschawar dadurch zum Hauptaufmarschgebiet für den Dschihad gegen die sowjetische Invasion wurde. Auf den Straßen der Stadt herrschte ein Durcheinander unterschiedlichster Sprachen und nationaler Trachten, wodurch eine lebendige, kosmopolitische Atmosphäre entstand, die alle Durchreisenden in ihren Bann zog. Vertreter von Hilfsorganisationen, freiberufliche Mullahs und Geheimdienstagenten aus aller Welt schlugen hier ihre Zelte auf. Der verdeckte Zufluss von Geld und Waffen führte zu einem starken Wirtschaftsaufschwung in der Stadt, die seit jeher vom Schmuggel gelebt hatte. Die Schätze des afghanischen Nationalmuseums - Statuen, Edelsteine, Antiquitäten und sogar ganze buddhistische Tempel - waren bereits auf dem Schwarzmarkt, einem unter freiem Himmel betriebenen Basar in einem Vorort der Stadt, und in den Geschenkläden der schäbigen Hotels gelandet, wo die meisten internationalen Journalisten abstiegen, die über den Krieg berichteten. 1 Afghanische Warlords brachten ihre Familien im Universitätsviertel unter, wo die höheren Angestellten zwischen Eukalyptus- und Magnolienbäumen lebten. Die Kriegsherren gelangten zu Wohlstand, indem sie sich die Hilfszahlungen der Amerikaner und der Saudis aneigneten. 2 Durch ihre erbitterten internen Auseinandersetzungen und die regelmäßigen Anschläge des KGB und des afghanischen Geheimdienstes KHAD starben in Peschawar mehr Mudschahidin-Kommandeure als auf dem Schlachtfeld. In einer Stadt, in der bislang nur handbemalte Busse und qualmende Motor-Rikschas auf den Straßen unterwegs gewesen waren, tauchten plötzlich Neuwagen der Marken Mercedes Sedan und Toyota Land Cruiser auf, die sich mühsam zwischen den Eselkarren ihren Weg suchten. Die Dieselabgase verwandelten die Luft in eine bläuliche Suppe. „Peschawar wurde zu einem Ort, wo sich all jene einfanden, die nicht wussten, wohin sie sonst gehen sollten“, erinnerte sich Osama Ruschdi, ein junger ägyptischer Glaubenskrieger. „Es war eine Umgebung, in der ein Mensch immer tiefer hinabsinken und schließlich in Verzweiflung enden konnte.“
    Nachdem Ajman al-Sawahiri 1986 seinen Arbeitsvertrag mit der Klinik in Dschiddah erfüllt hatte, stieß er zu der wachsenden arabischen Gemeinde in Peschawar. Er war nun rundlicher als bei seinen früheren Besuchen vor der Haft und bezeichnete Pakistan als seine „zweite Heimat“, da er schon als Kind einige Zeit in diesem Land verbracht hatte, als sein Großvater mütterlicherseits dort ägyptischer Botschafter gewesen war. 3 Bald trat er im Salwar Kamiz auf, dem traditionellen langen Hemd mit weiten Beinkleidern, der typischen Tracht der Region. Auch sein Bruder Mohammed, der ihm seit ihrer Kindheit nicht von der Seite wich, folgte ihm bald nach Peschawar. Die Brüder sahen sich sehr ähnlich, obwohl Mohammed dunkler und etwas größer und schlanker war als Ajman. Der zurückhaltende und ehrerbietige Mohammed kümmerte sich um die Geldströme der Dschihad-Gruppe, die von Kairo über Saudi-Arabien nach Pakistan flossen. 4
    Sawahiri fand eine Stelle in einem von Kuwait unterstützten Krankenhaus des Roten Halbmonds, das wie die meisten Hilfseinrichtungen in der Stadt von Mitgliedern der Muslimbrüder geleitet wurde. Sie hassten ihn wegen einer längeren Schmähschrift mit dem Titel Die bittere Ernte, in der er den Muslimbrüdern vorwarf, mit ungläubigen Regimen zusammenzuarbeiten - dazu gehörten für ihn sämtliche arabischen Regierungen. 5 Sawahiri bezeichnete die Bruderschaft als ein „Werkzeug in der Hand von Tyrannen“. Er forderte von ihr,

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