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Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007

Titel: Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Wright
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voller Begeisterung“, schrieb Assam. Sie beobachteten, wie Sanitätswagen die gefallenen Soldaten abtransportierten, darunter auch den Militärbefehlshaber des Bezirks Dschadschi.
    Da Bin Laden nun einen erneuten, heftigeren sowjetischen Gegenangriff erwartete, entschloss er sich, seine „Streitmacht“zu teilen, und stellte 35 Mann zur Bewachung der Löwenhöhle ab. Zusammen mit neun weiteren Männern stieg er auf einen Hügel, von wo sie 200 sowjetische Sondereinsatzkräfte beobachten konnten, die sich dem Lager näherten. „Plötzlich begann es rings um uns herum Mörsergranaten zu hageln“, berichtete Bin Laden. Wundersamerweise blieben die Araber unversehrt. Eine Stunde später setzten die Russen ihren Vormarsch fort. „Als sie den Gipfel erreichten, griffen wir an“, berichtete Bin Laden. „Einige von ihnen wurden getötet, der Rest floh.“
    Wochenlang beschossen die Sowjets die Löwenhöhle mit 120-mm-Mörsergranaten und warfen Napalmbomben darüber ab, die enorme Verwüstungen anrichteten. Assam weinte und betete um die Sicherheit der Kämpfer. Die Bäume brannten, selbst wenn es regnete, und erhellten die Nacht. Eines Morgens stieg Scheich Tamim inmitten des Granaten- und Feuersturms aus der Funkhöhle herauf mit einem Koran in der Hand und begann auf der Lichtung umherzuwandern. Er achtete nicht auf die Rufe seiner Kameraden, rezitierte den Koran und betete laut um den Märtyrertod, den Kopf mit der drahtgerahmten Brille gen Himmel gerichtet. Der Boden erzitterte, Kugeln und detonierende Granaten zerfetzten die Bäume um ihn herum. Es war gegen Ende des Ramadan, und Tamim glaubte, dass es seinem Seelenheil besonders zuträglich sein würde, wenn er in dieser Situation den Tod fand.
    Dieses bizarre Spektakel schien ernüchternd auf die anderen zu wirken. „Wir kamen schnell unter Feuer“, erinnerte sich Bin Laden. „Als der Beschuss für eine halbe Minute aufhörte, sagte ich den Männern, die bei mir waren, dass wir wohl sterben würden. Aber dann ging es weiter, und ich las im Heiligen Koran, bis wir gerettet wurden und uns an einen anderen Platz zurückziehen konnten. Kaum waren wir 70 Meter weggerückt, wurden wir schon wieder unter Feuer genommen, aber jetzt fühlten wir uns völlig sicher, als befänden wir uns in einem klimatisierten Raum.“
    Trotz dieses glücklichen Ausgangs fürchtete Bin Laden, dass seine Männer alle umkommen würden, wenn sie noch länger an diesem Ort blieben. Er musste die Höhle des Löwen aufgeben. Das war die größte Niederlage, die er bisher erlitten hatte. Seine Männer waren entsetzt über seine Entscheidung. Als einer von ihnen protestierte, „schrie Bin Laden mich an und warf mir Worte an den Kopf, die ich von ihm noch nie gehört hatte“ 61 Scheich Tamim brüllte und riss sich die Barthaare aus. „Ich glaubte, er wäre von Sinnen“, erinnerte sich Bin Laden. Er herrschte Tamim an und warf ihm vor, er würde durch seine Halsstarrigkeit alle anderen in Gefahr bringen. „Scheich Tamim, die Männer sind schon im Wagen“, warnte ihn Bin Laden. „Wenn auch nur einer von ihnen getötet wird, wirst du mit der Sünde leben müssen und dich am Tag des Jüngsten Gerichts für sein Blut zu verantworten haben.“ 62 Schluchzend setzte sich Tamim zu den anderen Männern in das Fahrzeug.
    Jene, die noch gehen konnten, folgten später, nachdem sie die Löwenhöhle zum größten Teil zerstört hatten, damit die Sowjets nichts mehr plündern konnten. Sie stießen ihre Geschütze in die Schluchten hinab und vergruben ihre automatischen Waffen. Einer der Männer warf eine Granate in die Feldküche. Das Lager, das sie unter so großen Mühen erbaut hatten, war jetzt eine Ruine. Ein kleiner Trupp blieb zurück, um den Abziehenden Rückendeckung zu geben.
    Abermals wurde Bin Laden krank. „Ich war sehr müde und konnte kaum 20 Meter gehen, dann musste ich stehen bleiben und einen Schluck Wasser trinken. Ich war enormen emotionalen und körperlichen Belastungen ausgesetzt.“ 63 Seine Qualen hatten erst begonnen.
    Sajaf schäumte, als die zerzausten Araber in seinem Lager ankamen. Er hatte mittlerweile erkannt, wie wertvoll die Löwenhöhle war, von der aus man einen strategisch wichtigen Karawanenweg überblicken konnte, über den Nachschub für die Mudschahidin herangeführt wurde. Er setzte Bin Ladens Befehl außer Kraft und befahl den Arabern, wieder umzukehren; außerdem schickte er einige zuverlässige afghanische Kämpfer mit ihnen zurück zum Lager, um

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