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Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007

Titel: Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Wright
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bestärkte ihn nur in seiner Entschlossenheit. Jeder Schritt in seinem Leben war dem großen Ziel untergeordnet, in Ägypten auf möglichst unblutige Weise eine islamische Regierung an die Macht zu bringen. Doch die Takfir-Doktrin hatte ihn ins Wanken gebracht. Die Takfiristen waren überzeugt, dass moralische Skrupel bei der Errettung der Menschheit unangebracht seien. Sie bürdeten sich eine schwere seelische Last auf, indem sie sich die göttliche Autorität anmaßten, zu entscheiden, wer ein wahrer Muslim sei und wer nicht, wer leben dürfe und wer sterben müsse.
    Sawahiri stand an dieser großen Scheidelinie. Auf der einen Seite gab es die Möglichkeit, seine Bewegung im Exil langsam wieder aufzubauen und auf die Chance zu warten, nach Ägypten zurückzukehren und dort das Ruder in die Hand zu nehmen. Das war sein Lebensziel. Aber es war nur ein kleiner Schritt zur Apokalypse, die so viel näher zu liegen schien, wenn er die andere Seite betrachtete. Dort, jenseits eines Meeres aus Blut, wie ihm sicher bewusst war, lockte das Versprechen einer universellen Wiederherstellung des wahren Islams.
    In den folgenden zehn Jahren wurde Sawahiri zwischen beiden Richtungen hin- und hergerissen. Die ägyptische Option war die Gruppe al-Dschihad, die er aufgebaut und geführt hatte. Die universelle Option hatte noch keinen Namen, aber sie nahm bereits Gestalt an. Sie sollte später al-Qaida genannt werden.
     
    SAWAHIRIS FRAU ASSA führte den Haushalt in Hajatabad, einem Vorort von Peschawar, wo viele Araber lebten. Die Frauen von al-Dschihad blieben unter sich, trugen schwarze Abajas und verschleierten ihr Gesicht in der Öffentlichkeit. Die Familie Sawahiri mietete eine Villa mit vier Schlafzimmern und hielt davon einen Raum stets frei für die zahlreichen Besucher, die vorbeikamen. „Wenn sie Geld übrig hatten, schenkten sie es Bedürftigen“, erzählte Assas Bruder Essam. „Sie waren mit sehr wenig zufrieden.“
    Assas Mutter Nabila Galal besuchte Assa und Ajman dreimal in Pakistan. Sie brachte ihren Enkelkindern Spielzeuge von Fisher-Price mit. 15 Sie hatte den Eindruck, „dass die Familie ungewöhnlich eng zusammenhielt und immer als Einheit auftrat“. 16 Doch der Mann, den ihre fromme Tochter geheiratet hatte, gab ihr nach wie vor Anlass zur Sorge. Er brachte seine Frau und seine Kinder immer stärker in Gefahr, wie es ihr schien. Nabila konnte diese Entwicklung nicht aufhalten, die 1981 begonnen hatte, als Sawahiri gerade zu jener Zeit ins Gefängnis musste, als sein erstes Kind Fatima geboren wurde. Nabila hatte sich um seine Frau und das Kind gekümmert, bis er drei Jahre später wieder freikam. Nachdem Sawahiri Ägypten verlassen hatte und nach Dschidda gezogen war, erschien Nabila dort pflichtbewusst zur Geburt von Umajma, die nach Sawahiris Mutter benannt wurde. Bei diesen Besuchen vertraute Assa ihrer Mutter an, wie sehr sie Ägypten und ihre Familie vermisse. Immer wieder machte sich Nabila Gedanken darüber, was aus ihrer Tochter werde würde.
    „Eines Tages erhielt ich einen Brief von Assa, der mich sehr schmerzte, als ich ihn las“, berichtete Nabila. „Sie schrieb, dass sie zusammen mit ihrem Mann nach Pakistan reisen werde. Ich wünschte, sie würde nicht dorthin gehen, aber ich wusste, dass niemand dem Schicksal in den Arm fallen kann. Sie war sich wohl bewusst, welche Rechte ihr Ehemann über sie hatte und welche Verpflichtung sie ihm gegenüber besaß, weshalb sie ihm bis ans Ende der Welt folgen würde.“
    In Peschawar brachte Assa Nabila auf die Welt, die nach ihrer Mutter benannt wurde, und im nächsten Jahr folgte Chadidscha, die vierte Tochter. Im Jahr 1988 wurde Mohammed, der einzige Sohn des Ehepaares Sawahiri geboren, sodass Ajman doch noch die Ehre zuteil wurde, Abu Mohammed genannt zu werden. Nabila besuchte sie kurz darauf zum letzten Mal. Sie vergaß nie den Anblick, als Assa und ihre Töchter sie am Flughafen erwarteten, sie trugen alle Hidschabs und lächelten ihr entgegen. Sie sah sie nicht wieder.
     
    BIN LADEN hielt manchmal Vorträge in dem Krankenhaus, in dem Sawahiri arbeitete. Die beiden Männer verfolgten damals zwar unterschiedliche Ziele, doch sie hatten vieles gemeinsam, wodurch sie sich näher kamen. Sie waren beide sehr moderne Menschen, Angehörige der gebildeten und technisch versierten Schichten, trotz ihrer fundamentalistischen religiösen Einstellungen. Schon in jungen Jahren hatte Osama große Teams von Arbeitern geleitet, die anspruchsvolle Bauprojekte

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