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Der Tod wirft lange Schatten

Der Tod wirft lange Schatten

Titel: Der Tod wirft lange Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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aufgeregt austauschten.
    Als der alte Mann bezahlte, dem Hund eine Zeitschrift zum Apportieren gab und seine Tüten wieder aufnahm, formierte sich eine merkwürdige Prozession. Mit einigem Abstand folgten die gestikulierenden Taubstummen, an deren Fersen die Glatzköpfe hingen, die von Branka beobachtet wurden. Der Alte verschwand fünf Minuten später in einem Palazzo in der Via Diaz, vor dem auch sein Wagen stand. Neben der schweren Haustür, die ins Schloß gefallen war, bevor dies jemand verhindern konnte, waren zwanzig Klingelschilder. Wohnte der Mann hier? Wie hieß er?
    Branka mußte nicht lange warten. Die Taubstummen verschwanden und fuhren wenig später mit einem zerbeulten roten Golf wieder vor. Die Glatzen zogen nach einem Blick in den Wagen des alten Mannes ab. Brankas Motorrad stand in der Nähe. Eine unscheinbare Frau kam und wandte sich in Gebärdensprache an die Taubstummen. Kurz darauf verschwanden alle im Haus, doch nach wenigen Minuten stürmten die beiden Typen wieder heraus, schubsten eine junge Frau in den roten Golf und rasten davon. Einen Koffer hatten sie nicht dabei. War das nicht das Mädchen, das in Bagnoli auf den Bus gewartet hatte? Ja, Branka war sich plötzlich sicher. Sie startete das Motorrad. Plötzlich hastete der Alte wie von Furien gepeinigt auf die Straße und sprang in seinen Wagen. Er hupte wie ein Irrer, als er in den fließenden Verkehr einbog und die anderen Autos grob zur Seite drängte. Branka folgte ihm mit großem Abstand. Einmal mußte sie eine Fahrradfahrerin überholen, die inmitten der Straße strampelte, als wollte sie den Giro di Trieste gewinnen. Sie hupte sie zur Seite und bekam obszöne Handzeichen zur Antwort.
    Am Largo Riborgo blieb der Alte vor einer Ampel zwischen anderen Fahrzeugen eingekeilt zurück, während sie sich den Weg mit dem Motorrad über den Gehweg bahnte. Sie sah den Golf zum Colle di San Giusto abbiegen und später in das Geflecht der kleinen Straßen von San Giacomo, wo die Typen hielten und mit dem Mädchen im Eingang eines eingerüsteten Hauses verschwanden. Branka folgte ihnen die Treppen hinauf und sah die drei in einer Wohnung im dritten Stock verschwinden. So wie die beiden Typen ihr Opfer behandelten, war klar, daß sie so schnell nicht wieder herauskommen würden. Branka hatte es eilig, sie mußte zurück in die Via Diaz, wo der Geldkoffer war.
    Als sie vor dem Haus hielt, sah sie gerade noch, wie die Tür hinter dem alten Mann ins Schloß fiel. Wie hieß er, in welchem Stockwerk wohnte er? Sie schaute sich die Namen auf den Klingelschildern an. Nach ein paar Minuten fuhr ein Taxi vor. Der Alte führte eine Frau zum Wagen, wartete, bis sie eingestiegen war und schloß die Haustür wieder hinter sich zu. Branka startete das Motorrad und folgte dem Taxi. Von dieser Frau könnte sie endlich den Namen des Alten erfahren.
    *
    Zuerst waren die beiden Kerle äußerst alarmiert gewesen. Sie hatten befürchtet, daß Irina sich von Triest aus über die Grenze abgesetzt hatte, auch ohne Paß. Sie hätten es bitter bezahlt. Auch sie hatten einen Boß, bei dem sie pünktlich das Geld abliefern mußten und der keinen Pardon kannte, wenn etwas nicht nach seinem Geschmack lief. Auch sie hatten in den letzten Jahren zur Genüge erfahren, was es hieß, den Befehlen nicht nachzukommen. Bis sie eines Tages begriffen hatten, daß sie davon profitierten, wenn sie die Erwartungen ohne Widerstand erfüllten. Sie waren sogar befördert worden, als ihre Vorgänger plötzlich verschwunden waren. Ab diesem Tag waren sie für Triest und das Umland zuständig, von Muggia über den Karst bis Monfalcone und Grado. Sie mußten die Mädchen führen, kassieren und dem Boß, der die ganze Region verantwortete, das Seine geben. Sie wußten, daß in der Hierarchie noch einer über dem Boß saß, aber den bekamen sie nie zu sehen.
    Fieberhaft hatten sie die Stadt abgesucht, keine Straße und kein Lokal, keinen Wartesaal der Krankenhäuser und auch nicht die Eingangshalle der Questura ausgelassen. Sogar Irinas Leidensgenossinnen, die mit ihr das Zimmer teilten, mußten nach ihr Ausschau halten. Keine Spur von der jungen Frau, die längst im Zug sitzen sollte und weiter südlich erwartet wurde. Den beiden Kerlen war klar, daß sie bald selbst eine Menge Ärger am Hals haben würden, wenn das Mädchen nicht wieder auftauchte.
    In der Via Locchi hatte sich Gott sei Dank das Blatt gewendet, als sie zum x-ten Mal im Zimmer nachsahen, ob Irina nicht doch einen Hinweis

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