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Der Tod wirft lange Schatten

Der Tod wirft lange Schatten

Titel: Der Tod wirft lange Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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in der Nähe ihres Telefons bleiben, sie würde vielleicht bald wieder gebraucht. Die verwirrte Frau schwor, sich genau an seine Anweisungen zu halten. Das einzige, was er ihr erlaubte, war, einen Arzt aufzusuchen.
    Er hatte ein Taxi für sie bestellt, das bereits wartete. Kurz darauf stürzte auch Galvano aus dem Haus und fuhr die zweite Beule in den Wagen, der vor ihm parkte. Er konnte sich jetzt nicht um Kleinigkeiten kümmern. Canovella erwartete ihn im Büro. Galvano mußte ihn darüber informieren, daß Irina verschwunden war und dringend Hilfe brauchte.
    *
    Branka war vom Fach. Sie war hübsch, hatte feine Gesichtszüge und schien trotz ihres durchtrainierten Körpers zart zu sein. Doch Branka war intelligent, knallhart, sehr schnell und handelte entschieden, sobald der richtige Moment gekommen war. Drakič wußte das und hatte ihr schon weit schwierigere Aufgaben übertragen als diese. Wer Branka unterschätzte, bezahlte mit dem Leben. Die Sache in Bagnoli war lediglich ein Mißgeschick gewesen, das sie jetzt wiedergutmachen würde. Kein zweites Mal mehr würde Drakičs Gorilla sie demütigen, und wenn sie freie Hand gehabt hätte, als sie den Verlust der Dokumente beichtete, dann hätte sie es ihm schon beim ersten Mal heimgezahlt.
    Erstaunt stellte sie fest, daß der alte Mann mit dem schwarzen Hund verfolgt wurde, als er die Gepäckaufbewahrung im Triestiner Bahnhof mit dem Aktenkoffer in der Hand verließ, den er für Irina abgeholt hatte. Branka sah die beiden Typen schon von weitem. Die Glatzen, die sie in Bagnoli aufs Kreuz legen wollten. Die beiden konnten sie nicht wiedererkennen, da sie in Bagnoli den Helm nicht abgesetzt und das schwarze Visier geschlossen gehalten hatte. Dennoch hielt Branka großen Abstand. Auch als Galvano schon wieder im Auto saß und zur Via Locchi fuhr. Sie hatte keine Eile. Warum sich das Leben komplizierter machen, als es ohnehin schon war? Der schwarze Hund schien zwar alt zu sein, aber er war sehr aufmerksam, als hätte man ihn abgerichtet, und die beiden Typen waren schon in Bagnoli bewaffnet gewesen. Der richtige Moment würde von selbst kommen.
    Der alte Mann verhielt sich eigenartig, nachdem er in der Via Locchi angekommen war. Zuerst wartete er lange, als beobachtete er etwas. Dann stieg er aus. Er ließ den Koffer im Wagen, den Hund ebenfalls, ging dann zuerst ein Stück in eine andere Richtung und anschließend, eng an die Fassaden gedrückt, zurück, sperrte eine Haustür auf und schloß sie erst, nachdem er sich mehrfach umgeblickt hatte. Er war auf der Hut, aber nicht besonders professionell. Branka sah, wie die beiden Glatzköpfe zum Wagen des Alten gingen, doch als sie sich an der Tür zu schaffen machten, fletschte der Hund die Zähne und sprang wie tollwütig bellend in dem Wagen herum. Einer der beiden zog seine Pistole, doch steckte er sie sofort wieder ein, als er zwei komische Typen herankommen sah, die auf ihn zeigten. Die beiden verschwanden kurz darauf ebenfalls in dem Haus. Der Hund tobte noch immer. Als er die Pistole zum zweiten Mal zog, kam der alte Mann wieder heraus und steuerte auf sie zu. Er hielt eine Hand unter seinem Jackett, als fühlte er nach einer Pistole im Halfter. Die beiden Glatzen verzogen sich schnell und warteten in ihrem Wagen, bis der Alte losfuhr und sie sich wieder an ihn hängten. Branka war der Ansicht, daß die beiden Kerle keine Ahnung hatten, wie man einen Job schnell und effizient erledigt. Sie hätte den Hund sofort kaltgemacht und sich den Teufel um die anderen geschert. Sie startete das Motorrad und behielt die beiden Autos aus genügend Abstand im Auge. Der alte Mann fuhr ziemlich schlecht. Am Campo Marzio übersah er einen Sattelschlepper, der zum Molo VI abbiegen wollte. Nur mit Glück konnte der LKW-Fahrer vermeiden, daß das Auto zerquetschte wurde. Er hupte dröhnend. Für lange Momente blockierte das Gefährt die Fahrbahn. Branka und die Glatzköpfe verloren den Alten, der von allem nichts bemerkt hatte, aus dem Blick.
    Mehr als eine Stunde verging, dann waren auf einmal alle wieder auf der Piazza Unità zusammen. Der alte Mann trank einen Aperitif vor einer Bar, sein Hund saß neben ihm, doch der Koffer aus dem Bahnhof fehlte. Dafür standen einige Einkaufstüten neben seinem Tisch. Unter den Torbögen des Rathauses standen die beiden Glatzen und beobachteten die zwei bettelnden Taubstummen, wie sie plötzlich davon abließen, die Leute zu belästigen, sich auf den Sockel eines Denkmals setzten und sich

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