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Der Tod wirft lange Schatten

Der Tod wirft lange Schatten

Titel: Der Tod wirft lange Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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nicht einfach über die Straße, sie schaut sich viel zu oft um und beobachtet die Umgebung. Mich hat sie bis jetzt aber auf keinen Fall entdeckt, es ist kein Nachteil klein zu sein. Übrigens trägt sie vermutlich eine Knarre. Wahrscheinlich steckt sie mit Ihrem Rentner unter einer Decke.«
    »Von uns ist sie nicht. Pina, bleiben Sie bitte noch einen Moment dort, ich rufe Sie gleich zurück.«
    Laurenti kratzte sich am Kopf. Was hatte das alles zu bedeuten? Nur einer könnte es ihm sagen.
    »Ich habe es auch schon bei dir versucht, aber es war die ganze Zeit belegt«, sagte Colonnello Canovella, ohne Zeit für einen Gruß zu verschwenden.
    »Was geht da bei Galvano vor?«
    »Eigentlich darf ich dir nichts sagen. Er hat mir das Versprechen abgenommen, dich auf keinen Fall einzuweihen. Aber du kennst ihn besser als ich.« Canovella erzählte in knappen Worten, daß der alte Gerichtsmediziner an einer fürchterlichen Sache dran war, die für ihn gefährlich werden könnte.
    »In zehn Minuten bin ich bei dir«, sagte Laurenti und lief zum Wagen. Wie Galvano am Nachmittag bog er jäh in den fließenden Verkehr ein. Allerdings hatte er zuvor das Blaulicht auf das Dach gestellt und die Sirene eingeschaltet.
    Was für eine absurde Stadt. Galvano stochert in der Geschichte und stößt auf eine junge Taubstumme, die mißhandelt und versklavt wurde. Laurenti stochert ebenfalls in der Geschichte. Und Graziella erzählte davon, welche Rolle die Geheimdienste in der Geschichte der Stadt hier gespielt hatten. Und sicher noch spielten, wie er am eigenen Leib erfahren mußte.
    Der Tote im Val Rosandra, ein skurriles Waffenlager, eine Taubstumme und jetzt auch noch Galvano, der in arrogantem Altersstarrsinn seine eigenen Ermittlungen führte. Laurenti stellte die Sirene ab und parkte seinen Wagen vor der Dienststelle Canovellas.
    *
    Sie hatten Irina die Haare abgeschnitten und grob den Kopf rasiert. Sie hatten sie mit gespreizten Armen und Beinen ans Bett gefesselt und ihr eine Schlinge um den Hals gelegt, die so straff mit den Fesseln an den Beinen verbunden war, daß sie sich nicht einen Millimeter bewegen konnte, ohne sich zu strangulieren. Sie hatten einen Spiegel über das Bett gehängt, in dem sie sich zuerst kaum wiedererkannte, dann aber über die Schnittwunden erschrak, die das Rasiermesser in ihrem Gesicht und auf der Kopfhaut zurückgelassen hatte. Sie hatten ihr mitgeteilt, daß sie nichts zu essen und zu trinken bekäme, bis sie weich wurde – und daß sie ihnen niemals entkommen könnte.
    Es war nicht schwer gewesen, Irina zu finden. Die beiden Kerle waren Galvano gefolgt, als sie ihn vor der »Bar Unità« wiedererkannt hatten. Der alte Mann hatte sie nicht weiter beachtet. Er hatte einen großen schwarzen Hund dabei, der mit seinem struppigen Fell aussah wie der Leibhaftige, und mit dem vermutlich nicht zu spaßen war. Außerdem herrschte Feierabendverkehr und sie konnten nicht riskieren, daß der Alte um Hilfe rief, wenn sie ihn bedrängten. Sie beschlossen, vor dem Haus zu warten, bis irgend etwas geschehen würde. Und es dauerte nicht einmal lange. Es war kurz nach siebzehn Uhr, als eine Frau nach der Klingel neben der Haustür suchte und, als sie bemerkte, daß die beiden jungen Männer sich in Gebärdensprache verständigten, sie fragte, was sie hier wollten. Mehr brauchte es nicht. Sie waren auf der richtigen Fährte. Sie erklärten, daß sie dringend den alten Mann suchten, der sich um ihre Freundin kümmerte, weil sie ihre Hilfe brauchte. Die Frau stellte ihnen ein paar Fragen und klingelte schließlich. Kurz darauf summte der Türöffner.
    Sie hatten die Übersetzerin mir einem brutalen Stoß in den Hausflur befördert, in den Aufzug gezwungen und ihr den Mund zugehalten. Sie waren nicht zu Scherzen aufgelegt. Als sie im letzten Stock ankamen und Irina in der Tür sahen, ging alles sehr schnell. Die Übersetzerin versuchte noch, ihr ein Zeichen zu machen, dann sank sie ohnmächtig in sich zusammen.
    Langsam kam die Frau zu sich. Galvano, der sie bei seiner Rückkehr noch immer vor seiner Haustür liegend fand, mußte ihr helfen, obwohl er anderes zu tun hatte. Es ging um Irina. Trotzdem führte er die Signora in die Wohnung und verarztete sie. Er erinnert sie mit erhobenem Zeigefinger daran, daß sie vereidigt und in eine streng geheime Ermittlung verwickelt war. Sie durfte sich auf keinen Fall ohne seine Erlaubnis gegenüber anderen Menschen zu dieser Angelegenheit äußern. Außerdem sollte sie ab sofort

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